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Kellernotizen

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Ateliertheater: Das größte Kellerereignis war diesmal ohne Zweifel der Frangois-Villon-Abend von Herbert Lederer, welcher jetzt bereits ein beachtliches Repertoire von Soloprogrammen aufzuweisen hat. Unter dem Titel „Genie und Galgenstrick“ erzählt der ambitionierte Schauspieler mit gewohnter akrobatischer Gedächtnisleistung das abenteuerliche Leben des großen französischen Vagantendichters, dessen Leben vom Werk nicht zu trennen ist. Es war daher eine glückliche Idee Lederers, nicht bloß einen rezitativen Balladenabend, sondern das Leben des „Galgenstricks“ selbst

— soweit man es aus spärlichen Unterlagen kennt — in Form einer Erzählung zu gestalten, um dann stichworteweise die Balladen zu bringen. Das durch die Nachdichtungen Paul Zechs häufig etwas einseitig fixierte Villon-Bild erfährt durch Lederer eigene Übersetzungen so manche Revision (schon weil es rückblickend abrollt). Beachtung verdient auch die Musik von Karl-Heinz Füssl. Kostüm (Erna Perger) und Bild (Veit Relin) sind brauchbar.

Kammertheater: Man spielt „Die Ballade vom nackten Mann“ von Raimund Berger. Man könnte sich eventuell über die langbärtigen Klischees im Stück und über dessen sprachliche Minderwertigkeit ereifern, aber die Sache ist, wie die Inszenierung („Collation“?) von Hans Gratzer so unbedeutend, daß es sich nicht lohnt. Unbedeutend wird auch gespielt. Würde mich nur noch interessieren, was „Collation“ dann wirklich ist!

Theater der Courage: Hier fand die österreichische Erstaufführung „Der Hund des Generals“ von Hei-nar Kipphardt statt. Ein mit viel gutem Willen geschriebenes „Schauspiel“ wurde mit viel gutem Willen in Szene gesetzt und mit ebensoviel gutem Willen vom eifrig sein Plansoll erfüllenden Publikum aufgenommen. Man scheint sich heute darauf zu spezialisieren, die Vergangenheit in einem besonderen Kapitel bewältigen zu wollen. Dagegen wäre natürlich nichts einzuwenden, wenn es auch die meisten jungen Menschen nicht ganz so viel angeht. Nur erweist man der Sache einen schlechten Dienst, greift man nach allen erdenklichen Stücken, weil der Autor gerade das gewünschte Thema behandelt. Selbst dann, wenn sein Stück gar kein Stück ist, die Argumente von Widersprüchen und Naivität nur so strotzen und unter anderen Vorzeichen wiederum nur Phrasen gedroschen werden — wiie eben im Falle von Kipphardts „Hund des Generals“. Man strapaziert den guten Willen ein wenig. — August Rieger führt zielbewußt und zügig Regie, was in dem zur Verfügung stehenden Rahmen eine besondere Leistung ist. Das Bühnenbild (Photomontagen) von Wolfgang Müller-Karbach wirkte dagegen nachlässig.

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