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Wo er gespielt hat
Für Mozart-Experten und wißbegierige Musikliebhaber hat Rüdiger E n g e r t h mit seinem Taschenbuch „Hier hat Mozart gespielt“ ein vorzügliches Nachschlagwerk geschaffen. Ein mit unzähligen korrekt ausgewerteten Briefen und anderen Dokumenten und einer Menge Detailwissen randvolles kleines Werk, das, auch als Lektüre spannend, zu Mozart-Wanderungen quer durchs heutige Österreich geradezu anregt. Und es ist nicht einfach noch ein Mozart-Buch, sondern eines der ersten, wenn nicht überhaupt das erste, das von der üblichen Methode abgeht, an die Persönlichkeit eines Meisters auf dem Weg Uber die chronologische Biographie oder über die reine Werkanalyse heranzukommen. (Beides übrigens Verfahrensweisen, die dem so entscheidenden Aspekt „Musik und Gesellschaft“ bestenfalls am Rande Rechnung tragen.)
Nun, Engerth spürt Mozart überall dort nach, wo dieser musiziert hat, daneben wo er wohnte, lebte, komponierte. Engerth nennt Kirchen, kaiserliche Schlösser, Adelspalais, vornehme Bürgerhäuser, Konzertsäle und Theater, aber mitunter auch kärgliche Wohnungen. Ein nicht geringer Prozentsatz dieser Bauten existiert heute längst nicht mehr. Und er weist auf so viele wertvolle Einzelheiten, die in summa ein ungeheuer lebensvolles Bild ergeben. Die Persönlichkeit Mozarts stellt er in den. Rahmen eines sozialen Gefüges, ohne das sie eigentlich nicht bestehen kann, er entwirft sehr klar ein Bild der auf die Persönlichkeit des Komponisten reagierenden Umwelt, mit deren Denkungsart, Vorurteilen, Ansprüchen, Moden sich der Meister Tag für Tag konfrontiert sah und mit der er „fertig“ werden mußte. Argument des Autors: „Der Buchtitel will nicht nur topographisch verstanden sein, sondern zugleich menschlich und soziologisch. Die Menschen, bei denen Mozart musizierte und für die er seine Werke schuf, die Menschen, deren oft seltsame Reaktionen ihn erfreuten oder erschreckten, die Kenner, Freunde, Bewunderer, Schüler und bloßen Adabeis, die
ihn zeitlebens in Menge umgaben, die Mitarbeiter, die ihn unterstützten, und die Sänger, die seine Kompositionen zum erstenmal seinen Landsleuten vermittelten, erscheinen uns ebenso zum
Thema gehörig wie die Räume, in denen dies alles geschah.“ In dieser Hinsicht ist das vorliegende eines der bemerkensweitesten Mozartbücher der letzten Zeit, und nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Musiksoziologie des 18. Jahrhunderts.
HIER HAT MOZART GESPIELT. Von Rüdiger Engerth. SN-Ver-lag, Salzburg. 128 Seiten, 56 Abbildungen.
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