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„Woyzek“ und „Wozzeck“ in Graz
Natürlich bedeutet es heute kein Wagnis mehr, Alban Bergs „W o z z e c k" nach seinem Siegeszug über die internationalen Bühnen dem Publikum darzubieten. Ein künstlerisches Wagnis extremer Art jedoch ist es für ein mittelgroßes Operntheater / wie Graz, ein musikdramatisches Werk, das so eminente Anforderungen an seine Interpreten stellt, mit ausschließlich eigenen Mitteln und eigenen Kräften aufzuführen. In achtmonatiger Vorarbeit haben Gustav C e r n y, der Dirigent, und Andrė D i e h 1, der Regisseur, mit ihren Helfern eine Leistung vollbracht, von der nur mit größtem Respekt gesprochen werden kann. Graz kann sich zu dieser künstlerischen Tat nicht nur besonders legitimiert fühlen — ist doch der „Wozzeck“ in der Koralpen- Einsamkeit, nicht weit von Graz, entstanden —, sondern es kann sich glücklich schätzen, zu gleicher Zeit das Büchnersche Original und dessen kongeniale musikalische Umschöpfung auf dem Spielplan seiner Theater zu wissen. Aus diesem erfreulichen Zusammentreffen ergeben sich für den Besucher höchst interessante Vergleichsmöglichkeiten. Hatte dort — beim „Woyzek“ in den Kammerspielen, über den in der „Furche“ bereits berichtet wurde — die Regie sich bewußt stärkste Beschran-
kung im Expressiven auferlegt, den paradigmatischen „Fall“ der getretenen Menschenkreatur dem Pathos der Anklage entzogen und ihn in das trüb-düstere Licht eines diesseitigen Kreuzweges gehüllt, so war hier — bei der Transposition in die große Opern- form — der Akzent auf das Grelle, den Aufschrei, das Erregende, ja Aufregende, den Hörer bis zum Zerreißen Spannende gelegt. Denn was da in dem mit Hingabe spielenden Orchester an Espressivo, an peinigender Intensität, an Mitschwingen mit dem tragischen Ablauf der Handlung — die musikalische Konstruktion durch Emotion vergessen machend — geschah, das war nicht nur für den lokalen Chronisten unvergeßlich und außergewöhnlich. Bemerkenswert auch, wie die Sänger des Grazer Ensembles, voran Alexander Fenyveß in der Titelpartie und Gertraud Hopf als Marie, neben der schönen Bewältigung ihres schwierigen Parts auch zu ungewohnter darstellerischer Ausdruckskraft emporwuchsen. An dem bedeutenden und bejubelten Erfolg hatten die Dekorationen R. E. Jahrens entscheidenden Anteil: alle Verwandlungen vollziehen sich bei offenem Vorhang, das szenische Geschehen erscheint ins Stilisierte, ja Irreale aufgelöst. — Die Grazer Oper, die nun seit Jahren regelmäßig ein modernes Meisterwerk . pro Saigon herausbringt, hat mit diesem „Wozzeck“ die vorzügliche Interpretation des „Mathis“ im Vorjahr in den Schatten gestellt.
lieber Faulkners „Requiem für eine Nonne“ ist in der „Furche“ schon mehrmals geschrieben worden. Das Werk des amerikanischen Autors stellt einer Aufführung nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Es dennoch gewählt zu haben, bedeutet einen Griff nach den Sternen, die jedoch in dieser Sparte hintergründig-realistischer Seelenexhibition in Graz wohl kaum erreichbar sind. Das liegt nicht an dem Regisseur Doktor Heinz G e r s t i n g e r, der abermals eine höchst beachtliche und kühne Probe eines durchgeistigten Inszenierungskonzeptes und starker dramatischer Verdichtung gab, und auch nicht an der mit ihrer Rolle heute noch überforderten Hauptdarstellerin C. Oberkogler, sondern eben an den überdimensionalen Ansprüchen des Stückes, die wohl nur von ganz großen Schauspielern restlos befriedigt werden können. Der Beste an diesem Abend war Horst Schle- siona als Gavin: eine ökonomische Leistung von höchster Eindringlichkeit.
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