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Abschied von der Stimme
Statt mit einer allerletzten Oper überraschte Verdi als 85jähriger die Welt mit einem geistlichen Chorwerk, den „Quattro pezzi sacri“, deren Uraufführung er nicht beiwohnen konnte. (Die italienische Premiere leitete der junge Toscanini.) — Pfitzner beschloß sein Vokalschaffen, wenn wir von einem Zyklus von Michelangelo-Gesängen absehen, 1930 mit der Chorphantasie „Das dunkle Reic h“, nachdem er, den Tod seiner ersten Frau betrauernd, drei Jahre lang geschwiegen hatte. Die folgenden 20 Jahre bis zu seinem Ende waren ausschließlich der Instrumentalmusik gewidmet.
Statt mit einer allerletzten Oper überraschte Verdi als 85jähriger die Welt mit einem geistlichen Chorwerk, den „Quattro pezzi sacri“, deren Uraufführung er nicht beiwohnen konnte. (Die italienische Premiere leitete der junge Toscanini.) — Pfitzner beschloß sein Vokalschaffen, wenn wir von einem Zyklus von Michelangelo-Gesängen absehen, 1930 mit der Chorphantasie „Das dunkle Reic h“, nachdem er, den Tod seiner ersten Frau betrauernd, drei Jahre lang geschwiegen hatte. Die folgenden 20 Jahre bis zu seinem Ende waren ausschließlich der Instrumentalmusik gewidmet.
Verdi erweist sich in seinem letzten Werk als Operndramatiker: Wie Opemszenen hören sich das Stabat materfür gemischten Chor und Orchester sowie das Tedeum für vierstimmigen gemischten Chor und Orchester an, für das ein hoher Sopran nur noch in den letzten Takten für einige ekstatische Schreie eingesetzt wird. Und musiktheatralische Kontraste ergeben sich durch die Reihung der vier Stücke. — Aber in den beiden A-cappella-Chören — dem einleitenden Ave Maria und den Laudi alia Vergine Maria — bemerkt man, sehr zum Vorteil des polyphonen Satzes, Verdis Beschäftigung mit Palestrinas „Missa Papae Marcelli“.
Palestrina mag als Bindeglied zwischen den beiden so gegensätzlichen Komponisten Verdi und Pfitzner angesehen werden. Ohne die Verehrung für dessen Persönlichkeit und Schaffen hätte Pfitzner weder seine Oper noch, wahrscheinlich, die großen Chorwerke geschrieben: 1921 „Von deutscher Seele" und neun Jahre später „Das dunkle Reich". Das frü here Werk ist das reichere, interessantere, farbigere. Im „Dunklen Reich“ zeigt sich, daß der Seelenzustand, die Stimmung — hier die der Trauer und des Schmerzes — mögen sie noch so intensiv sein, noch kein gelungenes Kunstwerk garantieren: In dieser achtteiliggi) Chorphantasie gibt es nur zwei Sololieder, von denen das für Sopran als Fremdkörper wirkt, und ein Orchesterzwischenspiel. In dem Orgelsolo bemerkt man, daß Pfitzner mit diesem Instrument nichts Rechtes anzufangen wußte. — Außerdem sind die Texte, was ihre Eignung zur Vertonung betrifft, mit denen der früheren Kantate nicht zu vergleichen. Sie stammen, was im Programmheft leider nicht angegeben war, größtenteils von C. F. Meyer (Chor der Toten, Schnitterlied, Scheiden im Licht — aus „Huttens letzte Tage“ je einer ist von Dehmel, Goethe (Gretchen vor der Mater Dolorosa) und Michelangelo.
Das halbstündige Werk hatte, ebenso wie Verdis „Pezzi sacri“, erstklassige Interpreten: der von Helmuth Froschauer vorbildich einstudierte große Chor des Singvereins (mit etwa doppelt so viel Frauen- wie Männerstimmen), das Tonkünstlerorchester sowie Gerlinde Lorenz und Ernst Schramm als Solisten — zwei ebenso kräftige wie schön- timbrierte Stimmen. Während sich der Sopran auch in der forciertesten Höhenlage bewährte, erfreute der angenehme Bariton auch durch noblen Ausdruck. Hans Swarowsky zeigte sich als mit beiden so gegensätzlichen musikalischen Welten bestens vertraut und verband Chor, Orchester und Solisten zu echten Ensembles.
Das Konzert fand im Großen Musikvereinssaal statt. Rudolf Scholz spielte die neue Orgel (Spieltisch links im Orchester).
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