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Ezzolied von David uraufgefuhrt

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Der Philharmonische Chor, Berlin, brachte in der Hochschule für Musik am Zoo das Oratorium „Ezzolied“ von Johann Nep. David zur Uraufführung. — Mit dem Erklingen dieses großartigen Werkes für gemischten Chor, Soli, großes Orchester und Orgel wurde der Bann gebrochen, der viele Jahre die Musik Davids in Norddeutschland zum Schweigen brachte. Es wurde, wie der langjährige Leiter des Chores, der Komponist und Dirigent Professor Hans Chemin-Petit, betonte, „eine Lanze gebrochen“ für das Werk und Schaffen eines der bedeutendsten lebenden Komponisten der großen geistlichen Musik.

De stofflichen und textlichen Inhalt zu diesem Werk bietet das Gedicht des Bamberger Domherrn Ezzo, entstanden im 11. Jahrhundert. Also ein Dokument aus der Zeit der Kreuzzüge und frühe Dichtung über die Schöpfungsgeschichte, die Erlösung des Menschen durch den Opfertod Christi. Eine herbe und bilderreiche Sprache voll von mittelalterlicher Symbolik und Mystik. — Die sieben Teile der Komposition bedienen sich alter Formen wie: Passacaglia, Echoformen, Fuge, Hymnus und Choralkonzert, aber der Wortausdeutung folgende harte Stimmführungen und kühne polytonale Zusammenklänge schlagen die Brücke zur Musik der Gegenwart. — David gilt als Wahrer und Erneuerer kontrapunktischer Musik. Die Schönheit und zwingende Gewalt seiner Tonsprache liegt in der glücklichen Verschmelzung von kontrapunktischer Strenge, unerbittlicher Wahrheit im Ausdruck und einem blutvollen Sinn für Farbe und blühende Poesie.

Das Werk wurde vom Philharmonischen Chor, den Solisten Clara Ebers, Dorothea Ammann-Goesch, Heinz Rehfuß und dem Philharmonischen Orchester, Berlin, glänzend interpretiert und von einem großen Zuhörerkreis mit wachsender Anteilnähme und Spannung aufgenommen und am Schluß begeistert gefeiert. Die hervorragende Leistung dieses berühmten Chors, der sich durch die 78 Jahre seines Bestehens als Laienchor manifestiert, verdient ganz besondere Erwähnung. — Unter der künstlerisch überragenden und stimmtechnisch pfleglichen Führung von Hans Chemin-Petit wurde in jahrzehntelanger, hingebungsvoller Kleinarbeit, stimmlich, geistig und musikalisch ein Klangkörper geschaffen, der dieser Komposition mit ihren großen Anforderungen an beweglicher Dynamik, Stimmumfang und Gehör voll gerecht wurde. Es schien keine Schwierigkeiten mehr zu geben, obgleich die Partitur mit ungewöhnlichen gesangtechnischen und geistigen Anforderungen an den Chorsänger nicht spart!

Es steht zu hoffen und zu erwarten, daß mit dieser Pioniertat des Philharmonischen Chores, Berlin, dem Schaffen des Österreichers David wieder Boden in Norddeutschland gewonnen wurde — und es wäre zu wünschen, daß der Chor und sein Leiter mit diesem Werk in Wien empfangen werden kann.

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