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Statt eines Panoramas

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33 Komponisten, die in öffentlichen Konzerten aufgeführt wurden, und weitere 66, die in 28 Veranstaltungen des Hörfunks zu Wort kamen: wahrhaftig, ein Überangebot während der Woche zeitgenössischer österreichischer Musik, die vom 22. bis 29. November nicht nur in Wien, sondern auch In den Bundesländern stattfand. Angesichts der Unmöglichkeit, eine Gesamtübersicht zu geben, vor allem aber unserer Abneigung gegen Pauschalurteile folgend, wollen wir ein während der Saison oft vernachlässigtes Teilgebiet herausgreifen, nämlich das der Chor- und Orgelmusik, um hier einige Charakteristika hervorzuheben.

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33 Komponisten, die in öffentlichen Konzerten aufgeführt wurden, und weitere 66, die in 28 Veranstaltungen des Hörfunks zu Wort kamen: wahrhaftig, ein Überangebot während der Woche zeitgenössischer österreichischer Musik, die vom 22. bis 29. November nicht nur in Wien, sondern auch In den Bundesländern stattfand. Angesichts der Unmöglichkeit, eine Gesamtübersicht zu geben, vor allem aber unserer Abneigung gegen Pauschalurteile folgend, wollen wir ein während der Saison oft vernachlässigtes Teilgebiet herausgreifen, nämlich das der Chor- und Orgelmusik, um hier einige Charakteristika hervorzuheben.

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Durchaus dominierend war in< dem von Kurt Rapf geleiteten Konzert des Wiener Kammerchors die mittlere Generation. Aber das genügt nicht, gewisse stilistische und ausdrucksmäßige Ähnlichkeiten in den vorgeführten Kompositionen zu erklären. Es gab da Gemeinsamkeiten von tieferer und wesentlicherer Bedeutung. Alle fünf aufgeführten Komponisten unterrichten an unseren Musikhochschulen und schreiben trotzdem keine „Professorenmusik“. Keiner, der nicht den Einfluß der Gregorianik und Dodekaphonik erfahren und auf seine Weise verarbeitet hat. Keiner, der nicht sein Handwerk beherrscht. Keiner, der, um sich auszudrücken, Tonbänder mit elektronischen Geräuschen zu brauchen glaubt. Keiner, der sich der graphischen Notation bedient... Die fünf Stücke für Orgel von Helmut Eder sind konzis geformte, plastische Miniaturen, Zwölftontechnik gelegentlich anwendend und mit Spiegelformen spielend. Heinz Kra-tochunls Partita op. 30 ist technisch von den Klangreihen Othmar Steinbauers beeinflußt (die ihrerseits auf Hauers „Tropen“ zurückgehen) und fügt dem Cantus firmus im Orgelpedal vier streng zwölftönig geführte Stimmen hinzu, ohne jedoch durch diese strenge Linearität den quasi harmonischen Zusammenklang der Stimmen zu negligieren. Kurt Rapf, der Dirigent dieses Konzertes und neuer Präsident des österreichischen Komponistenbundes, hielt sich mit zwei Choralvorspielen aus den letzten Jahren als Komponist bescheiden im Hintergrund. Schwerpunkt des zweiten Programmteiles bildete die Kantate „Und erlöse uns von dem Übel“ von Augustin Kubizek. Das ausgedehnte siebenteilige Werk basiert auf einem Gedichtzyklus von Peter Hüchel, der übrigens vor kurzem in seiner Heimat, der DDR, Schwierigkeiten gehabt hat. Kubizek huldigt keinem Kompositionsprinzip, sondern will lediglich mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln den Text überhöhen und deuten. Dabei gelangt er über die Weiterentwicklung der Polyphonie zu Reihenformen, ohne jedoch die Tonalität ernsthaft in Frage zu stellen. Zur Begleitung des Chores und der Altpartie, die Hanna Wald mit schönem Timbre und Verständnis sang, benützte Kubizek das Instrumentarium von Bartöks berühmter Sonate für zwei Klaviere und vielerlei Schlagwerk. Anton Heiller, einer unserer bedeutendsten AUround-Musiker, war in diesem Konzert leider nur mit einem älteren, aber immer noch gültigen und eindrucksvollen Werk, der siebenstrophigen Choralmotette „Ach wie flüchtig, ach wie nichtig“ aus dem Jahre 1949 vertreten, die, wie die anderen Kompositionen, vom Wiener Kammerchor sauber und tonschön vorgetragen wurde.

Dem „maximus polyphonista“ unserer Zeit, wie ihn sein Biograph Rudolf Klein nennt, Johann Nepo-muk David, der am 30. November seinen 75. Geburtstag beging, war ein von Stefan Soltesz geleitetes Konzert des Wiener Kammerchors gewidmet. An die Anfänge des in Eferding bei Linz geborenen Komponisten, der viele Jahre in Deutschland verbrachte und auch gegenwärtig dort lebt, erinnerten die „Chaconne“ für Orgel und ein „Stabat mater“ aus dem Jahre 1927. Die „Victimae pascali laudes“ op. 35 von 1946 atmen jenen ökumenischen Geist, von dem Person und Werk Davids geprägt sind: an den gregorianischen Choral der katholischen Kirche schließt sich die protestantische Übertragung „Christ ist erstanden“, und der fließende Rhythmus der Gregorianik geht in den metrisch messenden des evangelischen Chorals über. — Von der Orgelpartita „Unüberwindlich starker Held St. Michael'' von 1945 über die fast realistisch den Text illustrierenden Evangelienmotetten spannt sich ein gewaltiger Bogen zu „Toccata und Fuge“ von 1962 mit ihrem für David so charakteristischen .Ausdruckskontrapunkt“. Dieser Weg von der Gregorianik und der Renaissancemusik zu einer eigenständigen Dodekaphonik ist auch der Weg mehrerer jüngerer österreichischer Komponisten, die vornehmlich für Chor oder Orgel schreiben.

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