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Messe und Biblisches

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Noch vor der Uraufführung seiner ersten Symphonie komponierte Bruckner im Alter von 43 Jahren seine Große Messe f-Moll, zwölf Jahre nach der Graner Messe des von ihm bewunderten Franz Liszt, symphonisch groß und unübertrefflich in ihrer religiösen Tiefe. (Seine nächsten Messen verwendeten keine Singstimmen mehr, sind viersätzig und er nannte sie Symphonien, die sie der Form nach auch sind; dem Inhalt nach ist er dem religiösen Thema treugeblieben.) — Um so schmerzlicher muß es berühren, wenn diese Große Messe, im Musikvereinssaal nach ehrwürdigem Brauch aufgeführt, vergesellschaftet wird mit einem Werk, das darauf wirkt wie blanker Hohn: der Tanz um das goldene Kalb aus der Oper „Moses und Aron“ von Schönberg, der in dieser Szene das Volk.zeigt, wie es dem Rausch der blinden Diesseitigkeit erliegt, sich ihrem Götzen hinopfernd. Als isolierte „Nummer“ das auf Bruckners Messe folgen zu lassen, verrät mehr als schlechten Geschmack; man vermeint darin geradezu Absichten zu verspüren! — Die Aufführung unter Michael Gielen war gediegen, doch hätte die rhythmische und die dynamische Amplitude ruhig größer sein dürfen, also Langsames langsamer, Schnelles schneller, Leises leiser: so wären auch die bei Bruckner so wichtigen Steigerungen überzeugender ausgefallen; daß es sich um ein religiöses Werk handelte, merkte man am ehesten an der Interpretation von Anton Dermota, der außerdem im exponierten „Osanna in excelsis“ der tapferen Rotraut Hansmann (sie war für Sona Ghazarian eingesprungen) gewissermaßen eine Gesangslektion gab. Anne Gjevang und Artur Korn komplettierten das Solistenquartett mit höchst achtbaren Leistungen, ORF-Chor und Symphonieorchester waren hier wie auch bei Schönberg mit Konzentration und Elan bei der Sache. Rudolf Scholz spielte den Orgelpart.

Im Brahms-Saal gab es Musik mit kleinerem, äußerem Aufwand: Die rumänische Sängerin Ileana Cotru-bas gab einen Liederabend. Die Künstlerin hat zuletzt auch in Wien studiert, war drei Spielzeiten lang an der Staatsoper verpflichtet und wird es unter der Direktion Dr. Seefehlner wieder sein. Wir waren von der Schönheit ihrer Stimme und dem schlechthin idealen Vortrag namentlich der in französischer Sprache ge-sugenen Lieder von Faure und Du-parc sehr beeindruckt. Der Klavierbegleiter erwies sich am Beginn („Geheimes“ von Schubert) als ausgezeichneter Pianist und intelligenter Musiker.

Das Konzert des Israel Chamber Orchestra unter dem Rumänen Mendi Rodan verlief, das sei vorweg gesagt, ein wenig enttäuschend. Wir hatten das vor etwa 10 Jahren gegründete und erstmalig in Wien auftretende Ensemble, mit Spannung erwartet, auch das neue biblische Ballett eines israelischen Komponisten. Bartöks komponiertes „Divertimento für Streichorchester“ haben wir schon intensiver gehört, und Tschaikoiuskys Variationen über ein Rokokothema für Violoncello und Orchester erwiesen sich zwar als eine überaus virtuose, aber doch recht unbedeutende Komposition. — Eine Entdeckung war der junge Cellist Michael Maiski, in Riga geboren, in Leningrad studiert und bereits mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet. Also allenfalls ein tadelloser Techniker, ja ein brillanter Virtuose, aber leider mit trockenem, oft scharfem Ton. — Daß modernistische Dutzendwaren auch in Israel hergestellt werden, dokumentierte die dreiteilige Ballettmusik „Jephtas Tochter“ von dem 1916 in Noworossijsk geborenen, in Paris ausgebildeten Mordecai Seter. — Ein gewisser Klangreiz ist dieser glücklicherweise nur 12 Minuten dauernden Partitur nicht abzusprechen, aber die im Programm angedeuteten „folkloristischen Elemente“ konnten wir nicht entdecken, eher schon den

Einfluß der hebräischen Luturgie. — Am besten gelang den meist jugendlichen Musikern, etwa 30 an der Zahl, die Symphonie B-Dur (D 485) des neunzehnjährigen Schubert: ein bezauberndes, einfallsreiches, in Melodien schwelgendes Werk, „ohne Pauken und Trompeten“, das mit bemerkenswerter Einfühlung und Delikatesse gespielt wurde. — Sehr lebhafter, langanhaltender Beifall, besonders für den Solocellisten und am Schluß.

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