6605562-1954_16_10.jpg
Digital In Arbeit

Motette, Messe, Symphonie

Werbung
Werbung
Werbung

Für die Erstaufführung von Monteverdi „Magnificat" in den Philharmonischen Konzerten hat der Dirigent Mario Rossi die Bearbeitung von Ghedini gewählt, die der barocken Grandezza dieser Musik manche Feinheiten und allen Duft opfert und in der ständigen Ueberschwertheit von Orchester und Chor das eigentümliche Profil verwischt. Allerdings schuf das ausgewogene Wechselspiel zweier einmaliger Klangkörper Philharmonisches Orchester und Staatsopernchor einen erlebnishaft starken Eindruck. — Dem Persönlichen und Unmittelbaren zugewandt, somit im Gegensätzlichen gesteigert, wurde das „Divertimento für Streicher" von B61a B a r 16 k mit seinem ganz vergeistigten Mittelsatz zum eigentlichen Höhepunkt des Konzertes, das Vivaldis Olympia-Ouvertüre und Schuberts IV. Symphonie umrahmten. — Anton Bruckners „Achte" im Nicolai-Konzert der Philharmoniker wuchs dagegen zum zelebralen Ereignis. Unter Furtwänglers sparsamer Gestik erstand eine Klarheit von Bau und Gliederung des Riesenwerkes, ein Relief der hellen und dunklen Züge, wie es geschlossener kaum darstellbar sein dürfte; die Landschaft des österreichischen Menschen in höchster künstlerischer Symbolisierung, an die Pforte des Sakralen gehoben, mit ihren Wurzeln tief in die Vergangenheit und ebenso in die problematische Gegenwart reichend.

Ildebrando P i z e 11 i „Concerto dell’Estate” Zyklus „Die große Symphonie" ist italienischer Impressionismus und duftet nach den Pinien Respighis. Feinsinnig in der Instrumentierung und nobel im Klang, weist es in den Durchführungen eigenartige Kombinationen auf und zeigt darin persönliche Profilierung. Der im Programmheft genannte Zusammenhang mit Schönberg, Bartök und Strawinski war allerdings nirgends spürbar. — Shura Cherkassy spielte das Es-dur-Klavierkonzert von Liszt mit bewundernswerter Rasanz und unheimlich sicherer Musikalität. Der Dirigent Alceo Galliera erwies sich am stärksten in Beethovens VII. Symphonie als souveräner, in großen Bewegungen führender Dirigent.

Ein Konzert des Musica-viva-Zyklus war moderner Chormusik gewidmet, die sich gravierend dem geistlichen A-cappella-Gesang zuwendet. Die „Missa choralis" von Johann Nepomuk David bedeutet gleichsam eine Verhebung des gregorianischen Chorals in die Ebenen der Mehrstimmig-keit und Mehrtonalität, ohne den einfachen unbedingt und unmittelbar textverbundenen Duktus aufzugeben. Sie stellt eine neue Kompositionsform der Messe dar, die nicht mehr ein Choralmotiv als Hauptmelödie verwendet, vielmehr die Choralmesse an sich hier die „De angelis" diesem Verwandlungsprozeß unterzieht, der als eine räumliche Variation gregorianischer Musik aufgefaßt werden muß und trotz seiner Polyphonie die Größe choralischer Einstimmigkeit behält. — Anton Heillers Choralmotette über „Ach, wie flüchtig, ach, wie nichtig” ächtstimmig zählt zu den bedeutendsten Kompositionen neuer Chormusik überhaupt. Formale Geschlossenheit und architektonische Klarheit vereinen sich mit höchster kontrapunktischer Kunst, die nirgends für sich steht, sondern stets Mittel der weit in metaphysische Bezirke vorstoßenden geistigen Schau bleibt und nicht seifen Bachsche Wirkung erreicht.

Die „Fünf Madrigale" von Hans Werner Henze für gemischten Chor und elf Soloinstrumente zeigen noch kein eigenes Gesicht, aber doch bereits einige wesentliche Züge. Mit scharfen, oft genial gezeichneten Strichen wird die Situation der weltlichen Texte umrissen. — In zehn Volksliedbearbeitungen J. N. Davids zeigte sich dagegen der Meister auch kleinster Formen, besonders in der Textbehandlung, die von Wortwiederholungen fast gänzlich absieht und lieber die ganze Strophe noch einmal verwendet.

Der Dirigent Hans Gillesberger hat sich mit diesem Programm ebenso wie mit der vorbildlichen Interpretation in die erste Reihe der Dirigenten gestellt. Wiener Kammerchor und Singakademie vollbrachten unter seiner Führung eine Gipfelleistung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung