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Opernfrühling in Prag

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Der Musikfreund, der auf die Entdeckung wenig bekannter Opern aus ist, tut die Reise nach Prag selten vergebens. Meist sind es Werke, denen wegen ihrer zu sehr an die heimatliche Geschichte gebundenen Thematik eine internationale Verbreitung versagt bleibt. So ließ schon zum Auftakt des Festivals die Oper „Svatopluk“ von dem zeitgenössischen Komponisten Eugen S u c h o n das frühe Mittelalter der Slowakei lebendig werden. In einer sehr modernen, mit monumentalen Lichteffekten und farbenprächtigen Kostümen arbeitenden Inszenierung. Auch Smetanas erste Oper, „Die Brandenburger in Bohrn e n“, ist bei uns kaum bekannt. Sie behandelt eine Episode aus der frühen Geschichte Böhmens und schien der Direktion des Nationaltheaters offenbar wegen der Verherrlichung des wackeren böhmischen Volkes besonders geeignet, zum 40jährigen Parteijubiläum r-u inszeniert zu werden. Smetana waren d, effektvollen Volksszenen vor allem ein Anlaß zur Komposition meisterhafter Chöre, die in der exakten Einstudierung durch Milan Maly zu kraftvoller Wirkung kamen. Die Inszenieruhg von Ladislav Stros war aus einem expressiven Guß und führte mit dramatischem Tempo über Weitläufigkeiten des historischen Bilderbogens hinweg. Auch das Orchester und die Solisten hielten das hohe Niveau. Unverständlicherweise war diese bemerkenswerte Aufführung nicht im Festival-Programm verzeichnet, wohl aber ein so unbedeutendes Werk wie „Die Ungedemütigten“ von dem lebenden Komponisten Kalas, der wieder einmal die Hussiten auf die Opern bühne bemühte. Ebenso überflüssig erschien die Oper „M u s a D s c h a 1 i 1“ von dem tatarischen Komponisten Nazib Schiganow. Bei diesem merkwürdig unbeholfenen Musikdrama um die Leiden eines tatarischen Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft fragte man sich, ob die Operndirektion um jeden Preis den Sowjets gefällig sein wollte. Denn wenn auch die Tatsache, daß die tatarische Sowjetrepublik eine Oper hervorgebracht hat, gewiß freudig begrüßt werden muß, so ist doch die Unterstellung, daß just dieses Werk am besten geeignet ist, das zetgenössische Sowjetmusikschaffen im „Prager Frühling“ zu repräsentieren, zweifellos eine Tatarennachricht. Das Pech wollte es obendrein, daß die geplante Aufführung von Prokofieffs noch wenig bekannter Oper, „Die G e- schichte vom wahren Menschen“, die die Ehre der Sowjetmusik hätte retten können, wegen einer Erkrankung ausfallen mußte. Zum 150. Jubiläum des Prager Konservatoriums, dessen prominentester Lehrer einst Antonin Dvorak war, führten die Schüler Werke lebender tschechischer Komponisten auf. Außerdem hatten sie eine Oper von J. B. K i 111 einstudiert: „Die Franzosen vor Nizza“. Kittl war vor hundert Jahren Direktor des Konservatoriums. Der Stoff seiner Oper stammt immerhin von Richard Wagner. Als Studioaufführung hatten sich prominente Sänger, ehemalige Absolventen des Instituts, zur Verfügung gestellt.

Einen gewissen Ausgleich schufen die Russen in der letzten Festspielwoche mit ihrem Staatlichen Symphonieorchester und so prominenten Solisten, wie David

Oisträch, Lew Oborin und Knusche- witzky. Überhaupt war die letzte Woche im Konzertsaal die ergiebigste: Dietrich Fischer-Dieskau, Irmgard Seefried, Wolfgang Schneiderhan, Lucretia West und Paul Hindemith sind die bekanntesten Namen. Den Abschluß bildete eine Aufführung von Beethovens IX. Symphonie durch die Dresdner Staatskapelle unter Franz Konwitschny mit einheimischen Chören und Solisten. Obwohl es nicht gerade von ausländischen Besuchern des Prager Frühlings wimmelt, sind die Konzerte fast alle ausverkauft. Die Prager sind dankbar für die Kunst, die ihnen geboten wird, und sie sind als kritisches, unbestechliches Konzertpublikum bis heute unübertroffen.

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