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Ein neues Theater
Als man von der Idee hörte, in . Wien ein Nestroy-Theater zu eröff- i nen, war man positiv überrascht. : Leider wurde dieser an sich mehr als legitime Gedanke und langgehegte Wunschtraum, den Stücken des gro- : ßen Wieners eine ständige Pflegeanstalt zu geben, rauhe Wirklichkeit in Gestalt einer Aufführung von „Liebesgeschichten und Heirats- Sachen.“ Nun wäre das Ganze in : Jedem Kellertheater bloß eine mittelmäßige Produktion mit einigen Lichtblicken gewesen und gar nicht weiter aufgefallen, hier wird es unwillkürlich zum Prügelknaben enttäuschter Hoffnungen. Man hätte nämlich wenigstens einige Binsenweisheiten, die heute schon die Literaturhistoriker von den Dächern pfeifen, zur Kenntnis nehmen müssen: ohne Konzept, Regisseur und Hauptdarsteller kann man nicht Nestroy spielen, geschweige denn ein Theater aufziehen, wo nur Nestroy gespielt wird. Der Anfang jedenfalls war fragwürdig und höchst unoriginell. „Liebesgeschichten und Heiratssachen“ sah man zum Beispiel vor gar nicht so langer Zeit im Volkstheater und im Fernsehen. Mario Kro.nz versteht von Johann Nestroy ungefähr so viel wie Herr Fett vom /,del, was sich vor allem in der FühletNB de Hauftdarflteftera zeigt.
Hans Falär als Nebel ist seinerseits ein sehr begabter, temperamentvoller Schauspieler; für diese Rolle reicht es aber nicht. Er müßte etwas sparsamer in den Mitteln sein, müßte konzentrierter spielen und sich bändigen — oder gebändigt werden, womit wir wieder beim Regisseur sind. Hat Herr Kranz noch nie davon gehört, daß bei Nestroy nicht simpler Dialekt, sondern eine spezifische Mischform gesprochen wird? Das gilt auch für das Theater in der Josefs- ga.sse! Selbst die Komik des Emporkömmlings Fett besteht nicht darin, daß er ordinär ist, ‘sondern daß er es ist, obwohl er vornehm tut. Auch sprachlich wäre das zu berücksichtigen ... Angenehm fallen nur Karl Kainzbauer als Marchese Vincelld (mit ihm gibt es einige wirklich komische Szenen), Olga Lemerz als Phlippine und die relativ dezente Bearbeitung des Hausherrn Franz Rosak auf. Das Fundus-Bühnenbild von Gustav Tardik hingegen ist teilweise so, daß man die kahle Bühne vorziehen würde. — Warten wir also auf die nächste Premiere!
Im Theater im Palais Erzherzog Karl stimmt nicht alles zusammen, wenn Rudolf P. Parchwitz aus München seine „Vergeblichen Gesänge" anstimnvt, Brecht paßt nicht an
Kästner, beide nicht zu „Protestsongs“, die meist gar keine sind und technisch oft nicht ganz einwandfrei über die Hürden gebracht werden. Die Sache ist eigentlich noch nicht bühnenreif, aber... Und das Aber überwiegt. Parchwitz bringt seine Kompositionen zur Lyrik von Brecht, Heidenreich, Kästner und anderen mit so burschikosem Charme, daß man ihm seine unausgebildete Stimme und manche andere Untugenden gerne verzeiht.
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