Ich bin Carmen - © Foto: Volkstheater / Jörg Landsberg

Eine Carmen voller Kontraste

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Das Volkstheater präsentierte eine ebenso anspruchsvolle wie fantasiereiche Uraufführung als Ein-Personen-Abend.

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Das Volkstheater präsentierte eine ebenso anspruchsvolle wie fantasiereiche Uraufführung als Ein-Personen-Abend.

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Unter der Ägide von Kay Voges zeigt das Wiener Volkstheater ein breites Spektrum an unterschiedlichen Theaterformen. Kein etablierter Theaterbetrieb hat derzeit ein so diverses Programm zu bieten: Von Revuen und konzertanten Aufführungen über Performances und Installationen ist alles dabei. Der Mut zur Öffnung hin zu mehr künstlerischer Ausdrucksvielfalt in Verbindung mit gesellschaftspolitischen Themen und internationalen Kooperationen macht das Haus aktuell zu einem der spannendsten Orte in Wien.

Die jüngste Premiere stellt diesen innovativen Weg einmal mehr unter Beweis. Mit „Ich bin Carmen und das ist kein Liebeslied“ eröffnet sich eine assoziative Reise zwischen Orient und Okzident, Oper und Theater und zwischen Traum und Wirklichkeit. Autobiografische Erlebnisse verschmelzen mit Szenen aus Georges Bizets vielgespielter Oper. Ensemblemitglied Hasti Molavian entwickelt gemeinsam mit dem Regisseur Paul-Georg Dittrich und den beiden Musikern Tobias Schwencke und Christopher Scheuer einen gleichermaßen anspruchsvollen wie fantasiereichen Ein-Personen-Abend, der in Zusammenarbeit mit dem Theater Bremen entstand und nun einmalig zu sehen war.

Im Zentrum der unkonventionellen „Carmen“-Neuinterpretation steht die Lebensgeschichte der persisch-deutschen Mezzosopranistin und Schauspielerin Molavian. Die Erinnerungen an ihre Kindheit in Teheran sind im wahrsten Sinne des Wortes Motor dieser bildgewaltigen Aufführung. Zentrale Bühnenausstattung ist ein Kleinwagen, der im Laufe des Stücks mittels Seilzugs immer wieder hochschwebt, um als Videoprojektionsfläche für dokumentarische Filmausschnitte zu dienen, und auf dem die Protagonistin gleich zu Beginn im roten Blouson herumturnt. Autos haben im Iran einen besonderen Stellenwert, sind sie doch Orte der Autonomie, die ein Gefühl der Freiheit in einer ansonsten streng reglementierten Gesellschaft erlauben.

In kurzen Szenen wandert Molavian von einer biografischen Station zur nächsten. Dabei wechseln sich verschiedene Sprachen genauso schnell ab wie Gesangs- und Sprecheinlagen. Ein Dschinn-Kopfnicken genügt, schon geht die Reise weiter, und ein neuer Raum und ein anderer Zeitpunkt werden geöffnet. Zwischenstopps sind etwa ein alter Maulbeerbaum, der zum Träumen einlädt, das persische Neujahrsfest, der obligatorische Stau in der iranischen Hauptstadt oder Molavians erster Auftritt in der Teheraner Oper: Da der Sologesang von Frauen verboten ist, muss während ihrer Darbietung der gesamte Chor stumm die Lippen synchron mitbewegen.

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