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Felix Brauns „Orpheus”

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Die Leitung der Bregenzer Festspiele wagt sich jedes Jahr an ein schweres Problemstück, das zwangsläufig verschiedene Aufnahme finden muß. So war es beim „Großen Verzicht” von Reinhold Schneider, bei „Helena bleibt in Troja von Selahattin Batu und im Vorjahr bei „Galileo Galilei” von Frank Zwillinger.

Felix Braun, dessen „Orpheus” heuer in Szene ging, hat ein reiches Lebenswerk hinter sich, ist aber stets nur einem kleinen Kreis zugänglich gewesen. So ist auch sein „Orpheus” alles andere eher denn ein Erfolgsstück. Das uralte androgyne Problem beherrscht die griechische Mythologie, wobei sich die religionsgeschichtlich bewiesene Tatsache,, daß- das uralte Mutterrecht vom Männefstaat abgelöst wird,’ in das Märchen flüchtet.’fri Brauns „Orpheus” wehrt sich der Mann gegen das Weib, das für den in den Sphären wandelnden Sänger das Erdhafte ist, von dem er sich nicht aus den Wolken zurückrufen lassen will.

So muß Orpheus Eurydike verlieren, weil er ihr widersteht. Wieder ist es ein Weib, Persephone, das den Gnadenspruch des Unterweltgottes Pluto an die harte Bedingung knüpft, und dann bricht das Verhängnis herein, als Eurydike geliebt werden will, bevor sie an die Oberwelt gelangt ist. Hermes sieht die Schuld bei Orpheus: er hat sich selbst zur Unfruchtbarkeit verurteilt, er war Eurydikens nicht wert.

Der vierte Aufzug kehrt die Schuldfrage völlig um. Nun sind die von Königin Agave geführten Mänaden der Ausdruck der Sünde. Orpheus erlebt die Reinigung der griechischen Tragödie. Jetzt hat er recht. In diesem Augenblick taucht Bacchus als richtiger Deus ex machina auf: die orgiastischen Bacchanalien werden ab- gesohafft, und das edle griechische Theater hat an ihre Stelle zu treten. Ein abruptes Ende, für das, wie man vernimmt, die Regie, nicht der Verfasser zeichnet. Nach der erdrückend schweren Problematik ein allzu billiger Schluß War aus den verschlungenen Komplexen wirklich nicht anders herauszufinden?

Die klassisch-schöne Sprache Brauns erfordert eine überdimensionierte Wortführung. Oskar Werner in der Titelrolle und Annemarie Düringer beherrschen sie. Mit Ausnahme von Rosemarie Gerstenberg, der Königin Agave, stehen die anderen Rollenträger nur kurze Zeit auf der Bühne. Aber auch die wenigen Augenblicke genügen, um Heinz W o e s t e r als Pluto oder Albin Skoda als Bacchus in voller Größe zu zeigen. Von den sonstigen Darstellern erhob sich Eva Z i 1 c h e r als Persephone zu einer harten Größe. Für die Regie, damit für den Abschluß, zeichnet Josef Gielen. Das abstrakte Bühnenbild ist Rudolf Hoflehner eindrucksvoll geglückt.

Beim Spiel auf dem See gab es nach genau zehn Jahren ein Wiedersehen mit dem „Zigeunerbaron”, der sich von anderen Operetten durch die liebenswürdig-ansprechende Handlung wohltuend unterscheidet. Nebenbei: Bundespräsident Körner als ehemaliger General hatte damals den Marschtritt beanstandet; diesmal wäre er zufrieden gewesen, weil wirkliche Soldaten des österreichischen Bundesheeres eingesetzt waren, die laut akklamiert wurden ...

Der .Vergleich zwischen damals und jetzt zeigt die Ausdehnung der Seebühne, Sinn bild des Wachsens der Bregenzer Festspiele. Das von Professor Judtmann geschaffene Bühnenbild stand vor allem vor der Schwierigkeit der Verwandlung von Ungarn nach Wien zwischen dem 2. und 3. Akt. Vor dem 3. Akt drehen sich die Pavillons, welche das Zigeunerdorf darstellten; die letzte Insel mit der Silhouette Alt-Wiens wird angestrahlt. Eine Drehbühne im Hintergründe ist wegen des Wellenganges nicht möglich, so müssen komplizierte Umschaltungen vorgenommen werden.

Neu ist ein Vorspiel vor dem 1. Akt, welches Barinkay an der Spitze der Menagerie zeigt, als ihn die Begnadigung mit der Erlaubnis zur Rückkehr nach Ungarn erreicht. Die grenzenlosen Möglich- kbitHi£ilei’;3Sdöbühire’ ßsifen solch? Erweiterungen zu. Auch ist das Wiener Staatsopernballet diesmal durchgehend beschäftigt.

Anton Dermota, der für die Rolle des Barinkay in Aussicht genommen war, mußte wegen Erkrankung durch Jean Cox abgelöst werden, der, ebenso wie Karl D ö n c h als Zsupan, seiner Rolle gewachsen war. Ebenso verstanden es Hilde Z a d e k als Saffi, Clementine Mayer als Arsena und alle anderen Mitwirkenden, das alte Spiel, das wohl jeder Zuschauer schon mehrmals im Leben genossen hat, in unsterblicher Jugendfrische zu erhalten. Ein Sonderlob gebührt Hilde Rössel- M a j d a n als Czirpa. Die hervorragende Inszenierung danken wir Adolf Rott.

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