6571587-1950_22_15.jpg
Digital In Arbeit

„Jeanne d'Arc auf dem Scheiterhaufen“

Werbung
Werbung
Werbung

überblicken wir den Spielplan der Staatsoper seit 1945, so finden wir — wenn man von Brittens Bearbeitung der „Bettleroper“ absieht — nur ein wirklich neues Opernwerk auf dem Spielplan: Einems „Dantons Tod“. Nun tritt mit der szenischen Aufführung des Oratoriums „Jeanne d'Arc auf dem Scheiterhaufen“ von Claudel und Honegger, kurz vor Ende der Spielzeit, noch ein zweites Werk hinzu. — Es wäre undankbar, wollte man bei dieser Gelegenheit nicht der konzertanten Aufführung im Konzerthaus beim I. Internationalen Musikfest gedenken, durch welche dem Oratorium wohl erst der Weg in die Staatsoper freigemacht wurde. Der Gesamteindruck damals war stark und nachhaltig. Uber die Dichtung“ Claudels und die Musik Honeggers wurde an dieser Stelle (1947,23. Folge) ausführlich berichtet. Erinnern wir daher nur kurz an den Kern, das Wesentliche des Claudeischen Textes.- Der Gedanke des Opfers, des unbedingten Gehorsams, im Martyrium verwirklicht, beherrscht die zehn Szenen. Auf dem, Scheiterhaufen erlebt Johanna noch einmal die Stationen ihre Lebens: ihre Berufung, ihre Siege und ihre Leiden, wie sie in dem Buch, das Bruder Dominique als Abgesandter des Himmels vor ihr aufschlägt, aufgezeichnet sind. Diese Szenen und Visionen sowie der Opfertod werden mit großer suggestiver Kraft auf der Bühne dargestellt. Hochragend, in der Mitte der Szene, steht Johanna gefesselt auf dem Scheiterhaufen. Ihr zu Füßen: Pater Dominique mit dem Lebensbuch. Links und rechts, auf halber Höhe, im Halbdunkel sitzend,' der Chor des Volkes, die „Turba“. Etwas erhöhter: die beiden heiligen Frauen Katharina und Magarethe. Der rückwärtige Prospekt zeigt wechselnd die Kathedrale von Rouen, blauen Himmel oder schwarzrotes Gewölk, das sich am Ende teilt und den Blick in. die oberste Region freigibt,- wo die

Gottesmutter thront. Zu ebener Erde agieren die Richter, in Tiermasken gekleidet; hier wird auch das große Kartenspiel ausgetragen: von den vier Königen, den vier Buben und den vier Damen, welche Torheit, Hochmut, Geiz und Wollust verkörpern, deren Intrigen Johanna zum Opfer fällt. — Die Musik Honeggers ist nicht psychologisierend — wofür sich die romantischen Ausdrucksmittel anbieten würden —, sondern durchaus eigenwertig, mit klaren Linien, scharfen und dröhnenden Rhythmen, kompakten Klangmassen. Doch findet der Komponist auch die zarten und weichen Töne, ohne,weichlich und sentimental zu werden. Denn: was der Dichter und der Musiker darstellen wollten, ist ja nicht ein nur-menschliches Einzelschicksal, sondern ist zeitloses Symbol. Daher wird man dem“ Werk nicht gerecht, wenn man es als Oper wertet, sondern man muß es als „episches Theater“, einen neuartigen Versuch in Richtung auf das Gesamtkunstwerk, auffassen, dessen geistige Grundlagen bei Calderon zu suchen sind.

Für diesen besonderen Stil bringt der Intendant des Burgtheaters, Josef Gielen, der das Werk bereits gemeinsam mit Clemens Krauß in Südamerika inszenierte, wichtige Voraussetzungen mit. Er ist ein Meister aller Darstellungsmittel: Bewegungschor und Ballett, Prospekte und Lichtwirkungen werden virtuos eingesetzt. Vor allem sind die beiden Haupt-sprechrollen trefflich besetzt (Alma Seidler als Jeanne d'Arc und Raoul Aslan als Pater Dominique). Vorzüglich auch die Reihe der Staatsopernsänger als Träger der irdischen und himmlischen Stimmen (Else Schürhoff, Greta Menzel und Hilde Zadek; Alfred Poell, Julius Patzak). Die schwierigen Chöre, vom Staatsopernchor und den Sängerknaben ausgeführt, wurden von Richard Roßmayer einstudiert. Erika Hanka leitete den Bewegungschor und schuf die Choreographie) Robert . Kautsky hat mit den düsteren Dekorationen und den prunkvollen Kostümen einen entscheidenden Anteil am Gelingen dieser Aufführung, welche, als eine gemeinsame Leistung des Burgtheaters und der Staatsoper, zu den sehenswertesten seit 1945 gehört. Den gewaltigen Klangapparat mit großem Schlagwerk, Klavieren und Saxophonen, aus dem auch — als Ersatz für die vom Komponisten vorgesehenen Ondes Martenot — das Heliophon in allen erdenkt baren Klangfarben herausklingt, leitete Cle mens Krauß.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung