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PAUL HOFFMANN / GROSSE UND GUTE TRADITION

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Ais Direktor Häussermann im Februar 1966 wissen ließ, daß er seinen Vertrag Ende August 196S auslaufen zu lassen wünsche, erklärten Unterrichtsministerium wie Bundestheaterverwaltung angesichts des alsbald vehement einsetzenden „Nachfolgespiels” entschieden: Der nächste Burgtheaterdirektor müsse „ganz bestimmten Voraussetzungen” entsprechen. Er werde vor allem ein Mann sein müssen, der erstens neben der nötigen Erfahrung erwiesenermaßen Reife und Besonnenheit verbürgt, zweitens Kontinuität der gegenwärtigen Ära bewahren und den Direktionswechsel bruchlos vollführen und drittens des Vertrauens des Hauses, nämlich der Schauspieler, sicher sein könne. Es schien fast aussichtslos, den Wundermann zu finden, der alle diese Eigenschaften — Vertrautheit mit dem Haus, künstlerisches Profil, Gefühl für Qualität und die nötige Beweglichkeit — aufzuweisen hatte. Überraschend bald fiel aber dann die Wahl auf Kammerschauspieler Paul Hoffmann, der seit 1959 dem Ensemble des Wiener Burgtheaters angehört.

Paul Hoffmann (Jahrgang 1902) ist gebürtiger Düsseldorfer. Da nach dem Abgang des Rheinländers Rott mit Häussermann seit längerem wieder ein Österreicher das Amt des Burgtheaterdirektors bekleidet hat, wird nun ab September 1968 die Tradition des deutschen Direktors fortgesetzt — eine Tradition, die nicht ohne reizvollen Widersinn ist. Hoffmanns Debüt als Schauspieler erfolgte bei einer Studentenaufführung als Orest. 1924 wurde er als Regisseur und Schauspieler an das Stadttheater in Würzburg verpflichtet. Die nächsten Stationen waren Aachen, Gera, Dresden, Stuttgart, Zürich und München.

1950 erfolgte seine Berufung an das Staatsschauspiel in Stuttgart, mit dessen künstlerischer Leitung er zwei Jahre später betraut wurde. Noch während seiner Stuttgarter Zeit gastierte er in Wien, wo er im Theater in der Josefstadt in der effektvollen Titelrolle des Schauspiels „Kean” von Alexander Dumas, in der Bearbeitung von Jean Paul Sartre, einen namhaften Publikumserfolg errang.

Als Antrittsrolle am Burgtheater spielte er den Octavio Piccolomini im „Wallenstein”. Seither war Hoffmann als vielseitiges Mitglied des Hauses geschätzt und hat auch Regie geführt. Noch in bester Erinnerung ist etwa seine Regietat der ungemein schwierigen dramatischen Verlebendigung des poetischen Legendenspieles „Franziskus” von Max Zweig in Bregenz oder seine von Ironie sprühende Verkörperung Bernard Shaws in „Geliebter Lügner”. Der hochgewachsene Mann ist kultiviert in jedem Wort und in jeder Geste. Ein ausgeprägtes Gefühl für Form und Sprache macht auch seine Vorliebe für Hofmannsthal verständlich.

In der kürzlich abgehaltenen Pressekonferenz, in der er sich als der neue Burgtheaterdirektor vorstellte und ein beachtliches Programm für die Spielzeiten bis zum Sommer 1971 entwickelte, bekannte sich Paul Hoffmann zur „großen und guten Tradition” in Verbindung mit dėr gesellschaftskritischen Funktion des Theaters. Er will seine Aufgabe: die künftigen Geschicke der „Burg” zu leiten, mit „preußischem Charme und österreichischer Präzision” angehen, und es dürfte ihm gelingen, nicht zuletzt auch kraft der natürlichen Autorität seiner Persönlichkeit.

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