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Saisonbeginn in Graz

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Die neue Saison der Grazer Vereinigten Bühnen begann mit einem Mißton. Genauer gesagt: mit Mißtönen — im wörtlichen und übertragenen Sinn. Denn erstens war manches weder wohlklingend noch richtig, was zur Eröffnung der Oper gesungen wurde, und zweitens gab es auch in der künstlerischen Form und Qualität der ersten Schauspielabende nicht nur Ver-, sondern auch genug Befremdendes. Dabei hatte man sich von den eröffnenden Premieren einiges erwartet. Wer die ehrlichen und auch meist erfolgreichen Bemühungen des Intendanten D i e h 1 um eine Wagner-Renaissance kennt, mußte enttäuscht feststellen, daß für den neuen „T a n n h ä u s e r“ offenbar weder die gewohnte Mühe noch auch das entsprechende Stilempfinden aufgebracht worden war. Resigniert nahm man zur Kenntnis, daß Graz derzeit nicht in der Lage ist, alle wichtigen Partien des Werkes ausreichend zu besetzen. Ob eine Oper wie „Tannhäuser“ überhaupt zu „entromantisieren“ ist, bleibt eine offene Frage. Wenn man es aber versucht, dann gehört zu solchem Unterfangen auch ein entsprechendes Konzept. So aber blieb man mit halben Mitteln auf halbem Wege stehen, begnügte sich mit zwar teilweise gelungenen, jedoch insgesamt stilfremden Vereinfachungen in den Dekors, ließ aber Solisten und Chöre agieren und marschieren wie eh und je. Dem Opernchef Günther Wich ist eine gründliche Studierarbeit mit dem Orchester zu danken, die sich denn auch in der Klangqualität wohltuend bemerkbar machte.

Wenig Freude bescherten auch die Kammerspiele. Dort gab man „Des Meeres und der Liebe Wellen“ in der Inszenierung L. Andersens. Was hier an solistischen Einzelleistungen geboten wurde, hatte gewiß allerlei für sich. Grillparzers Liebestragödie vollzog sich jedoch in einem Vorhangrahmen von neutralem Grau als konzertantes Deklamationsstück, dem Volumen und Fülle des Lebens ebenso fremd waren wie jenes unabdingbare sensuelle Aroma, ohne das dieses Werk nun einmal nicht denkbar ist. — Anouilhs blendende und dankbare Komödie „General Quixotte“ war in der Grazer Aufführung (Regie: H. Gerstinger) nicht viel mehr als irgendein Dutzendlustspiel, das eine Weile zum Lachen reizt — von tragischem Unterton keine Spur.

Schließlich gab es im Opernhaus noch Nestroys „Jux“ (Regie: F. Zecha). Die Inszenierung hielt etwa die Mitte zwischen dem guten traditionell-österreichischen Nestroy-Stil und einer leicht choreographischen Verfremdung. Gespielt wurde mit großem Elan und voll Animo. Ein temperamentgeladenes, rasantes Theater, ein gut überlegtes Konzept — ein Bombenerfolg und der einzige wesentliche Abend der neuen Spielzeit.

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