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Trionfo di Carl Orff

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Als der nun 70jährige Carl Orff die Königsloge des Münchner Nationaltheaters betrat, gab es lang anhaltenden Beifall des ausverkauften Hauses, der sich am Schluß der Premiere zu Ovationen steigerte. Welchem Irdischen wird schon eine so eindeutige Sympathie zuteil? Es ist der Inbegriff des Homo ludens, den Orff personifiziert und dazu noch eine starke, humanitäre Kraft, die von diesem nach Richard Strauss wohl bedeutendsten Sohn Münchens ausgeht. Es war der persönliche Wunsch des Komponisten, seine Monteverdi-Bearbeitungen „Klage der Ariadne“, „Orpheus“ und „Tanz der Spröden“ unter dem Titel „Lamenti — tritüco teatrale libera-mente tratto da opere di Claudio Monteverdi“ in eine höhere Einheit zu binden und in der Regie Heinz Rosens in seiner Heimatstadt zur Erstaufführung zu bringen.

Carl Orff ist selbst ein so erfahrener Mann des Theaters, daß er die Schwächen dieses Triptychons sehr wohl kennt, und er legte deshalb so besonderen Wert auf eine szenische Gestaltung durch Heinz Rosen, weil er von den „Trionfi“ her die eminente Phantasie dieses Szenikers kannte und in der Kontrapunktik von musikalischer, tänzerischer und schauspielerischer Gestaltung die legitime Darstellung dieser kongenialen Huldigung an das Genie Monteverdis sieht. Eine Zusammenfassung dreier Werke wird — selbst wenn diese geistig und stilistisch verbunden sind — immer gewisse Naht- und Bruchstellen aufweisen, und so ist es beispielsweise nicht zu vermeiden, daß der „Orpheus“, der in der Mitte steht — und dramaturgisch auch nur so plaziert werden kann —, durch die Stärke seiner Ausdruckskraft den folgenden „Tanz der Spröden“ an die Wand spielt, auch ist man nach dem Ernst und die immer aufs neue fesselnde, klassische Ideenwelt des „Orpheus“ gar nicht so recht aufgelegt für die etwas kümmerlichen Neckereien des Amor. Dennoch folgt dieser „Trittico teatrale“ nicht nur den Idealen dramaturgischer Gesetze, sondern auch der Aufführungspraxis der Renaissance.

In gemeinsamer Arbeit mit dem Bühnenbildner Teo Otto, der Kostümbildnerin Heilwig Westerdorf und der choreographischen Assistentin Suse Preisser schuf Heinz Rosen eine Szenerie, welche die Herzen aller Orff-Enthusiasten höher schlagen läßt. Allein die optische Steigerung durch Flächenverschiebungen nach dem Eindringen Orpheus' in das Reich der Schatten ist von einer geradezu beklemmenden, visionären Kraft. Nicht anders der Tanz des Orpheus vor den Wächtern der Unterwelt, dieses langsame Durchbrechen der abweisenden, feuerroten Masken-Mauer, die stilisierten Tänze zu Beginn des „Orpheus“ oder die expressionistische Auslegung der Figuren im „Tanz der Spröden“, das sind faszinierende Höhepunkte, zumal Teo Otto die Bühne in ein Märchenreich von Farben, Fabelwesen, Symbolen und Lichteffekten

verwandelt hat. Nicht ganz auf gleicher Höhe stand die musikalische Interpretation durch Christoph von Dohnänyi. Dieser profilierte, junge Kapellmeister hat sich als guter Sachwalter der Moderne erwiesen, aber hier hat er eine Partitur vor sich, die musikgeschichtliches Material in neues Leben kleidet, und

Carl Orff

Zeichnung von Elisabeth v. Steiger

da verläßt ihn die genaue Treffsicherheit des Stils. So nahm er den „Tanz der Spröden“ anscheinend zu wörtlich, denn er dirigierte ihn nicht nur spröde, sondern ganz einfach undifferenziert, spannungs- und lieblos (hier hatte auch das Bayerische Staatsorchester nicht seinen besten Tag).

Den Akteuren auf der Bühne gebührt jedoch ein Lob in Superlativen. Unter Heinz Rosens subtiler Leitung stand das gesamte Corps de ballet auf höchstem Niveau. Winfried Krisch tanzte mit äußerster Verinnerlichung den „Orpheus“, der in Hans Wilbrink einen jungen, hochqualifizierten Sänger von erstaunlicher Reife fand. Die „Eury-dike“ bekam durch die Gestaltung der Primaballerina Konstanze Vernon eine ungeheure Intensität, von Hanny Steffek gesanglich nicht immer stilsicher sekundiert. In die Rolle der Botin teilten sich die Tänzerin Margot Werner und die Sängerin Hertha Tojjper, sie sang auch die einleitende „Klage der Ariadne“ mit mächtigem, dieser Partie zukommenden Pathos.

In München wurde häufig der Vorwurf laut, man überlasse es anderen Städten, Carl Orff anläßlich seines 70. Geburtstags gebührend zu würdigen. Vielleicht hätte man sich wirklich noch mehr einfallen lassen können, aber die Quantität soll nicht entscheiden und qualitativ wird man lange suchen müssen, um eine Orff-Aufführung zu finden, die auch nur annähernd an diese Lamenti-Interpretation heranreicht. Orff jedenfalls zeigte sich beglückt, und um das Glück des Jubilars sollte es in erster Linie gehen — wir wünschen es ihm auch in Zukunft von ganzem Herzen!

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