Malina.jp - © Foto: © Marcel Urlaub // Volkstheater

Über allem der Liebestod

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Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ im Akademietheater und „Malina“ im Volkstheater verhandeln das Wechselspiel von Macht und Liebe, Glück und Krisen.

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Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ im Akademietheater und „Malina“ im Volkstheater verhandeln das Wechselspiel von Macht und Liebe, Glück und Krisen.

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Der Anfang der Wiener Theatersaison ist queer. Das Wiener Akademietheater eröffnet mit einer Inszenierung von Rainer Werner Fassbinders „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ in der Regie der 1984 in Hamburg geborenen Lilja Rupprecht, das Volkstheater eröffnet mit der Bearbeitung und Inszenierung des Romans „Malina“ von Ingeborg Bachmann durch Claudia Bauer.

Fassbinder meinte einmal, der Mensch sei so gemacht, dass er den anderen Menschen brauche, aber nicht gelernt habe, wie man zusammen sein könne. Diese Grundformel der unmöglichen Liebe variierte Fassbinder in zahlreichen Theaterstücken und Filmen. In „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“, das der junge Fassbinder Anfang der 1970er Jahre sowohl für die Bühne als auch für den Film verarbeitete, veranschaulicht er, was es heißt, Macht über das Liebesbedürfnis eines anderen zu haben und inmitten wechselseitiger Abhängigkeiten zu leben, wobei er eine damals gleich doppelt tabuisierte Beziehung analysiert, nämlich die zwischen einer älteren Frau, der reichen Modeschöpferin Petra von Kant, zu einer jungen Frau, dem angehenden Modell Karin Thimm.

Rupprecht nun erzählt das Melodrama als eine Art Vexierspiel von Doppelgängerinnen, mit ihren vielschichtigen Konnotationen: als Chiffre für unterdrückte Wünsche oder alternative Lebensentwürfe; oder der narzisstischen Fusion von Subjekt und Objekt; oder der Absicherung des Fortbestands des Ichs über den Tod hinaus etc. Die Regisseurin macht das vor allem über die Frisuren und die Kostüme von Annelies Vanlaere kenntlich: Die in die Jahre gekommene Petra von Kant (Dörte Lyssewski) trägt die gleiche Unterwäsche wie die Modepuppe. Wenn ihre verflossene Liebe Sidonie (Stefanie Dvorak) vorbeikommt, ist diese in dem gleichen Anzug gekleidet wie Petra, und selbst Körperhaltung und Gesten der beiden werden dominiert von chiastischer Anordnung. Als Petra schließlich zum romantischen Tête-à-tête mit der jungen Karin (Nina Siewert) zusammentrifft, ist sie in das gleiche laszive rote Kostüm gekleidet. Von da an vollzieht sich das Liebesdrama als szenische Abfolge kontrastierender Gefühlsmomente des Verlangens, Sehnens und Verlassenseins. Wobei das melodramatische Repertoire vor allem Dörte Lyssewski Gelegenheit bietet, die Fallstricke zwischenmenschlicher Machtbeziehungen in emotionalen Zuständen durch Ausdrucksformen des pathetischen Körperspiels und großen deklamatorischen Gesten von Befehlen, Fordern, Werben, Schwärmen, Klagen und Wimmern durchzuexerzieren.

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