6678841-1961_34_15.jpg
Digital In Arbeit

Vom Holland-Festival

Werbung
Werbung
Werbung

Was das Holland-Festival vor allen anderen Festspielveranstaltungen Europas auszeichnet, ist eine freiwillige Sinnlosigkeit, das vollkommene Fehlen jeglicher Überlieferung, jeder Begründung, weshalb gerade in Holland, gerade zu dieser Zeit, gerade dies aufgeführt wird. Wundervoll daher, einmal ein verhältnismäßig buntes Bild von Konzerten, Opern, Ballettgastspielen zu sehen und nie daran denken zu müssen, dies sei nun eines längst verstorbenen Komponisten wegen abgehalten oder wegen der besonderen Schönheit eines allgemein bekannten Bauwerkes.

Daher kommen auch die internationalen Besucher Hollands — nicht umsonst sind die Niederlande als gastfreundlich und flugbeflissen bekannt — in jedem Sommer für einige Tage nach Amsterdam, Scheveningen, Den Haag. Man hat noch Festspiele in vielen Städten Europas vor sich, braucht mit der KLM knappe zwei Stunden von überallher und ist in der ruhigsten, angenehmsten Umgebung: Um Figaro” in’ einer’’musikalisch’ ‘liirfliclien, ,sifeisTh’’:,t®n ‘‘Aix-en- Provence geliehenen, Aufführung zu sehen, um die vielbesprochene Wuppertaler Aufführung von Hindemiths „Cardillac” (zum letztenmal in der Originalfassung, der Komponist hat weitere Inszenierungen nur noch in seiner Neubearbeitung gestattet) zu hören, um ein ganz vortreffliches polnisches Ensemble zu bewundern, das „M a z o w s z e” heißt und eindringlich darstellt, wie man geschmackvoll Brauchtum, Folklore und ungezähmten Bauerntanz in eine moderne Form bringt.

Ein anderes Erlebnis, nicht eben die reine Freude: Otto Klemperer dirigiert das Concertgebouw-Or- c bester, sehr straff Bruckners VI. Symphonie, sehr eindringlich die Chaconne aus Glucks „Orpheus” und zwischendurch die Uraufführung seiner eigenen Symphonie, die, knappe achtzehn Minuten lang, nur Achtung verlangen darf. Sie ist, wie der Dirigent selbst, gerade, etwas trotzig und immer fest zupackend, doch eben das, was wir Kapellmeistermusik nennen.

Genial dagegen wirkt die Wiederbelebung von Hector Berlioz’ „B e n v e- obligaten Bravourarien stehen höchst n u t o C e 11 i n i”, einem musikalischen Meisterwerk mit dem üblich komischen Inhalt der meisten großen Opern seiner Zeit. Es wird gekämpft, geliebt und schließlich von einem Kardinal alles vergeben, da ja ein großer Künstler alle Irrungen des Lebens durchgemacht hat. Es wird aber vor allem prächtig musiziert. Berlioz hat ungezählte melodische Einfälle, ein Dutzend anderer Opern könnte man aus ihnen entwickeln, doch sie geben sich ganz unbemerkt und nebenbei. Neben den modern anmutende Chorpassagen, neben Ensembles im gewohnten Opernstil ein kurzes, schwebendes Duett mit bezaubernden Wendungen man könnte Seiten mit dieser Aufzählung füllen. Dazu hat man in der niederländischen Inszenierung den faszinierenden Einfall gehabt, die ganze Geseichte bitter ernst zu nehmen, tragisch und großartig zu inszenieren und damit ein sehr rundes, volles, beinahe möchte man sagen authentisches Bild auf die Bühne zu bringen — das Publikum schwankt zuerst zwischen überlegenem Lächeln, echter Begeisterung und wissenschaftlichem Interesse, um schließlich ungewollt gefangengenommen zu sein: Gedda singt den Cellini, eine Amsterdamer Diva namens Gerry de Groot seine Geliebte Teresa, Georges Pretre dirigiert mit wuchtigen Gebärden und entsprechendem Aufwand, Marcel Lamy und François Ganeau schufen die Inszenierung.

Und zwischendurch herrscht Ruhe. Keine Feiern, keine großen Empfänge, kein Ver- •Stféh, den Besucher davori j au ühcraeügeni däß’ ‘fintig’-und allein -.Holland Festspible veranstalten’ darf. Nur gift redigierte, modern ausgestattete Programme, ein klaglos funktionierendes Pressebüro (auch das beweist das tatsächliche Niveau eines Festivals) und viele nette Menschen, die bei den Aufführungen selbstverständlich im Smoking und Frack erscheinen, wo man bei uns Hinweise auf die „festliche Kleidung” auf Eintrittskarten drucken lassen muß. Kurz, ein echtes Festspiel, das Gäste und Bewohner des Landes ohne große Parole, doch in schöner Kunstgesinnung vereint.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung