
Der Ruf des Lebens
Die Ausrichtung an der beruflichen Karriere formt heute von klein auf das menschliche Dasein. Wie lässt sich dem wild gewordenen Funktionalismus Widerstand leisten?
Die Ausrichtung an der beruflichen Karriere formt heute von klein auf das menschliche Dasein. Wie lässt sich dem wild gewordenen Funktionalismus Widerstand leisten?
„Warum geschieht in der Welt so vieles, das die einzelnen Menschen je für sich verabscheuen und bedauern?“ Diese heute so drängende Frage stellt sich der Berliner Philosoph Michael Andrick seit seiner Jugend. Kürzlich hat er mit „Erfolgsleere“ (Verlag Karl Alber) ein Buch dazu geschrieben und darin eine Antwort auf seine Frage gefunden: Die meisten der globalen ökologischen, ökonomischen, politischen und sozialen Missstände bringen wir durch Konformismus hervor – in unseren Arbeitswelten und in unserer konsumistischen Freizeit. Aber warum funktionieren wir so gut? Und wie „machen wir einander das, was wir über uns selbst und unser Tun doch wissen, alltäglich unbewusst“? Michael Andrick klärt dieses Verhalten im Rahmen einer sozialpsychologischen Analyse.
Unsere „moralische Anästhesie“ ist aber auch mit dem ethischen Prinzip ausbalancierter Gegensätze zu konfrontieren, zumal ein gelingendes Leben Ausgewogenheit voraussetzt. Unser kulturelles Erbe ist dabei hilfreich und kann Andricks Thesen gut ergänzen: Christen gedenken zu Allerseelen ihrer verstorbenen Freunde und Verwandten. Zugleich erinnert dieser Tag an die eigene Sterblichkeit. Doch bereits im Barock steht dem „Memento mori“ (Gedenke des Todes!) das „Carpe diem!“ (Nütze den Tag!) zur Seite. Wer zu Allerheiligen etwa den Wiener Zentralfriedhof besucht, dem vermittelt der Genuss von Sturm und Erdäpfel-Puffern vor den Friedhofsmauern einen sinnlichen Eindruck dieser merkwürdigen Synthese.
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