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Abschied von einem aufsehenerregenden Automobil

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Man hat ihn längst aus Holz geschnitzt und in Beton gegossen. Er wurde rosa lackiert und mit Punkten versehen, in durchsichtige Plastikfolie eingeschlagen und mit riesigen Bändern und Schleifen verziert. Er war der Star so mancher Schicki-Micki-Party und wurde zum Geburtstag verschenkt. Sammler haben gleich ein Dutzend im Depot, und in einer jüngst eröffneten Autobahnraststätte in Oberösterreich hängt sogar einer über dem Kamin.

Vom Trabant, von den sozialistischen Volksgenossen mehr zynisch als zärtlich „Trabbi” gerufen, ist die Rede, der DDR-Antwort auf die deutsche Volkswagen-Legende, die ja, wie heute nur mehr wenige wissen, eigentlich aus Österreich kam. Wo sie freilich keiner haben wollte. Es ist zwar kaum zu glauben, aber die umfassend umweltschädliche Duroplast-Büchse wird immer noch produziert, obwohl sie im Lande, in dem sie erfunden und in Millionenauflage hergestellt wurde, längst niemand mehr haben will. Allerdings: dieser Tage werden die allerletzten Exemplare vom Transportband gerollt. Wohin auch immer. Allen Spielereien der Wessis und Witzeleien der Ossis zum Trotz: Der Trabbi war von denen, die ihn konstruierten, vor allem aber von denen, die ihn in Auftrag gegeben hatten und für seine jahrzehntelange Produktion sorgten, durchaus ernst gemeint.

Er entsprach so recht ihren Vorstellungen von den glücklichen Menschen in der gerechten Gesellschaft, in einem Staat, in dem durch glückliche Fügung und planvolle Politik eben alles aufeinander abgestimmt war. Was nützte es denn, Autos zu bauen, die 200 Sachen schnell sind, wenn die Straßen nur allerhöchstens 60 zulassen. Wozu teuer importierten Stahl verschwenden, wenn Duroplast genau so langsam verrottet und zudem viel leichter ist, was wiederum gestattet, schwächere und somit billigere Motoren zu bauen. Wozu hundert verschiedene Typen und Ausstattungsvarianten anbieten, wo doch die Menschen alle mehr oder weniger gleich sind, vom Gewicht und der Körpergröße einmal abgesehen.

Der Trabant wurde - allerdings eher unbeabsichtigt - zum Signet für das System des „Real existierenden Sozialismus”: Der Anspruch war ganz toll, die Wirklichkeit freilich - die war eben nicht so.

„Schöpfertum, gepaart mit Kühnheit und dem revolutionären Willen einer von Ausbeutung befreiten Arbeiterklasse, hat dieses aufsehenerregende Auto entstehen lassen.” Das haben die Rexisozis in den siebziger Jahren bei der Geburt des Trabbi den Menschen in ihrem Land tatsächlich weismachen wollen.

Kein Wunder, daß sie in die Wüste geschickt wurden.

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