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Amerikanische Chormusik

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Im Laufe der letzten Jahre hat man in Europa Schöpfungen und Leistungen einer hier unbekannten und kaum erahnten Musikkultur — Erziehung zur Musik und auch Erziehung durch die Musik — kennengelernt, welche vorwiegend durch die überaus rührige „Extension Division“ des „Institute of European Studies“ propagiert worden ist. Wieder wurden aus den Musikgruppen von ungefähr 2000 nordamerikanischen Universitäten, von welchen zirka ein Viertel oder die Hälfte der Hörer die musikalische Ausbildung nicht als berufliche betrachtet, dieser aber mit größtem Eifer und entsprechendem Zeitaufwand obliegt, drei Vokalensembles in der Wiener Minoritenkirche vorgestellt; diese erscheinen besonders geeignet, Wesen und Zielsetzung der von Studentengruppen der Vereinigten Staaten gepflegten Chormusik überzeugend darzulegen, nämlich der 1863 gegründete „Konsos State Vni-versity Chor“ unter der Leitung von Prof. Rodney G. Walker, die „Deni-son Singers“ unter Dr. William Osborne, Chormeister und Organist an der 1831 gegründeten „Denison University“' in Granville, Ohio, und der von Prof. Mark Aamot geleitete „Southwest Minnesota State College Chor“.

Jeder Chor hat einen ganzen Abend mit einer Auswahl von Gesängen aus seinem geistlichen, klassischen und, wie es zuweilen genannt wird, profanen Programm geboten, in welchem der heimische und später auch der importierte Volksgesang von der iberischen Halbinsel seinen Platz gefunden hat. Das hohe Niveau der auf bester Tradition fußenden Stimmbildung und die außerordentliche Musikalität, zu welcher geradezu hervorragend ausgebildete Lehrer ihre Schüler bringen, zeigte sich besonders in den Werken der Meister der italienischen Renaissance Palestrina, Alessandro Scarlatti und Francesco Durante, dessen herrliche „Misericordias Domini“ in der mitteleuropäischen Musikwelt noch viel zuwenig bekannt sind.

Den Leitungen dieser Chöre liegt ein Bestreben zugrunde, das auch bei den Darbietungen anderer, vom Institute of European Studies durchgeführten amerikanischen Konzerten klar zutage trat und als ein sehr wesentlicher, charakteristischer Zug zu werten ist, welcher den Aufbau der jeweiligen Programme bestimmt: Neben dem gründlichen Studium zum Großteil anonymer Gregorianik und dem Studium der großen europäischen Meister ab 1400 werden nicht nur deren bekannte, größere Kompositionen vorgeführt, oder die Hauptwerke bereits bekannter amerikanischer Komponisten; man sucht vielmehr auch mit Vorliebe im Schatten blühende Meine und auch größere Vokalschöpfungen bekannter und auch unbekannter Autoren der Neuen und sogar auch der Alten Welt mh und zuweilen erscheint durch völlig neue Aspekte, wie hervorgezaubert, eine beliebte Künstlerpersönlichkeit, die man erst jetzt sozusagen neu kennen lernt. Weiß man zum Beispiel in weiteren Kreisen, wie sehr Johannes Brahms die Motettenliteratur der deutschen Musik bereichert hat? Das Thema des zum Volkslied gewordenen Gedichtes „O Heiland reiß die Himmel auf“ ist wohl bekannt, aber kaum der Satz für vier Stimmen, den der Meister ihm gegeben hat, noch weniger aber das wundervolle „Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen“. Eine Offenbarung wurde jenen, welche Edvard Grieg teils zu hoch, teils zu tief einschätzten, durch das Lied „How fair ist thy face“ aus den „Vier Fsailmen“, op. 73 für gemischte Stimmen und Baritonsolo, beschert; denn in diesem, seinem letzten Opus, hat Griag wohl den Höhepunkt seines Schaffens erreicht.

Selbstverständlich wird die bodenständige Musik in den USA, wie sie zum Beispiel William Billings im achtzehnten, Aaron Copland und Samuel Barber im zwanzigsten Jahrhundert schufen und immer weiter entwickeln, auf das sorgfältigste studiert und in eindrucksvollen Aufführungen sowohl der eigenen Heimat als auch in ausgedehnten Tourneen der außeramerikanischen Welt präsentiert.

Durch diese Abende in der Wiener Minoritenkirche haben uns die ausgezeichneten Sänger aus Kansas, Ohio und Minnesota wertvollste Erkenntnisse und stärkste Impulse für die eigene Arbeit vermittelt. Sie wurden dafür von einem großen und begeisterten Publikum aufs herzlichste bedankt.

• Das Linzer Landestheater wird Friedrich Dürrenmatts „Porträt eines Planeten“ als österreichische Erstaufführung herausbringen. Die Premiere, die im Rahmen der Studioreihe „Forum der Zeit“ herauskommen wird, wurde auf Sonntag, 14. Mai 1972, festgelegt. Die Inszenierung des Werkes übernimmt Bernd Rademaker.

• Nachdem die Französische Nationalbibliothek sämtliche erreichbaren Manuskripte von Marcel Proust angekauft hatte, stellte sie nun die vor kurzem erworbenen Manuskripte von Paul Valery aus, insgesamt 250 Hefte, darunter das 50 Jahre lang geführte Tagebuch.

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