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Digital In Arbeit

Arbeit kann billiger sein

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Die Abschaffung der Lohnnebenkosten verbilligt die Arbeit, wäre ein Mittel gegen Arbeitslosigkeit. Damit verbundene Wirkungen beschreibt der folgende Beitrag.

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Die Abschaffung der Lohnnebenkosten verbilligt die Arbeit, wäre ein Mittel gegen Arbeitslosigkeit. Damit verbundene Wirkungen beschreibt der folgende Beitrag.

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Verläßliche Studien beweisen, daß die Arbeitsproduktivität (Wertschöpfung pro Beschäftigtem) sich gegenwärtig in Osterreich um mehr als drei Prozent verbessert. Das Nationalprodukt müßte also jährlich um vier Prozent wachsen, damit die Arbeitslosigkeit nicht weiter anstiege. Ein solches Wirtschaftswachstum ist vorläufig aber nicht zu erwarten. Ohne Umstrukturierungen werden bald acht Prozent oder mehr der Arbeitswilligen ohne Arbeit sein.

In vielen, besonders in kleinen industriellen, gewerblichen, landwirtschaftlichen und Dienstleistungsunternehmen braucht man 30 bis 35 Beschäftigte, um einen Umsatz von 10 Millionen Schilling jährlich zu erzielen. Die Personalkosten machen dort nahezu 50 Prozent des Umsatzwertes aus, während sie in kapitalintensiven Unternehmen zehn Prozent kaum übersteigen.

Erhöht sich der Personalbedarf um ein Achtel (35 statt 40 Wochenstunden) sind das für arbeitsintensive Unternehmen sechs Prozent der Verkaufspreise ihres Angebots, aber nur gut ein Prozent für kapitalintensive und import-material-intensive.

Heute werden die Arbeitskosten vor allem durch die Sozialabgaben erhöht. Durchschnittlich werden dem Arbeitnehmer 15 Prozent seines Lohns oder Gehalts für Sozialabgaben abgezogen, und der Arbeitgeber zahlt zusätzlich zu den Nominallöhnen und -gehältern etwa 28 Prozent Sozialabgaben. Berücksichtigt man auch noch die Einkommensteuerabzüge der Arbeitnehmer, zahlt der Arbeitgeber für diese das Doppelte von dem, was sie bekommen.

DieSozialversicherungsinstitu-te haben mit Versicherungen keine Ähnlichkeit mehr. Eine Versicherung investiert die erhaltenen Zahlungen und finanziert ihre Leistungen durch den Ertrag ihrer Investitionen.

Die Zahlungen der Sozialversicherungen sind aber von ihren Einnahmen ganz unabhängig. Die Regierung bestimmt, was gezahlt wird; das Defizit wird aus dem Staatshaushalt gedeckt. Daher sind die Sozialleistungen Erfüllung sozialer Verpflichtung der ganzen Nation. Sie sollten daher aus dem Steueraufkommen global finanziert werden, und nicht eine Pro-Kopf-Besteuerung rechtfertigen, die dazu führt, daß bei gleichem Umsatz, Mehrwert und Gewinn, also gleicher Leistung für die Gesamtwirtschaft, arbeitsintensive Güter mehr als kapitalintensive und importma-terial-intensive belastet werden. Das jetzige System bestraft geradezu die Beschäftigung möglichst vieler Arbeitnehmer.

Würden die Sozialabgaben durch ebenso hohe zusätzliche Besteuerung von Mehrwert und Konsum, eventuell auch der Gewinne, ersetzt — die alle Unternehmen gleichmäßig belastete —, würden kapital- und import-ma-terial-intensive Güter teurer, arbeitsintensive billiger, und die Nachfrage verschöbe sich ein wenig zugunsten letzter, ohne daß sich an der Kaufkraft der Arbeitnehmer oder an der Größe des Nationalprodukts irgend etwas änderte.

Man brauchte nur für die Erzielung des unveränderten Nationalprodukts etwas mehr Arbeitskräfte und ersparte einige Inve-stitions- und Subventionsausgaben. Gerade das ist es, worauf es in der gegenwärtigen Lage ankommt. Die Exportfähigkeit der österreichischen Industrie würde nicht leiden, sondern sich verbessern: gemäß internationaler Handelsabkommen können dem Exporteur Steuern zurückerstattet werden; nicht aber Sozialabgaben.

Reparaturen würden billiger, viele Neuanschaffungen teurer. Etwas billiger würden Bekleidung, Lederwaren, Möbel, viele Nahrungsmittel, Restaurants, Ferienaufenthalte im Inland und Krankenpflege. Etwas teurer würden die meisten Elektrogeräte, Papier, Plastik-Utensilien, Benzin, Autos und alle importierten Waren.

1984 dürften die gesamten Sozialleistungen etwa 280 Milliarden Schilling erreichen und die Sozialabgaben 180 Milliarden. (Die Differenz von 100 Milliarden wird schon jetzt aus dem Staatsbudget gedeckt). Bei Wegfall der Sozialabgaben müßten etwa 150 Milliarden durch zusätzliche Steuereinnahmen kompensiert werden. (30 Milliarden zahlen staatseigene oder vom Staat subventionierte Unternehmen. Sie wechselten also nur von einer Budgetposition in eine andere).

Es gäbe unzählige Varianten hinsichtlich der Aufbringung dieser 150 Milliarden, die die Sozialabgaben ersetzen könnten. Nur beispielhaft werden zwei Alternativen genannt.

Die erste, gemäßigtere: Erhöhung der Mehrwert- und Konsumbesteuerungen (Budget 1984 3s 167 Milliarden) um die Hälfte, der für die meisten Industriewaren gültigen Mehrwertsteuer also von 20 Prozent auf 30 Prozent + Erhöhung der Besteuerung von Einkommen und Gewinnen um 10 Prozent, was ungefähr 80 Milliarden einbrächte. Das Budget 1984 veranschlagt Einkommens- und Gewinnsteuern mit 126 Milliarden. Zweite Alternative: Die Mehrwert- und Konsumbesteuerung würden verdoppelt, die nominellen Löhne und Gehälter um die bisherigen Sozialabgaben vermindert. Alle anderen Steuern blieben unverändert.

Geht man davon aus, daß sich die Nettogewinne durch die unterschiedliche Finanzierung der Sozialausgaben nicht verändern, so verringern sich die Preise bei arbeitsintensiven Produkten um fünf bis acht Prozent. Die der kapitalintensiven steigen um sieben bis zwölf Prozent.

Diese Unterschiede sind groß genug, um gewisse Nachfrageverschiebungen zugunsten arbeitsintensiver Produkte und Leistungen zu bewirken.

Ebenso wichtig wie eine gewisse Nachfrageverschiebung wäre die Tatsache, daß die Beseitigung der Pro-Kopf-Sozialabgaben es den Unternehmen leichter machen würde, Arbeitskräfte einzustellen oder zumindest nicht abzubauen.

Der Autor ist Unternehmensberater.

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