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Außer Landes

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Die jahrtausendealte Kulturlandschaft Südtirols bringt auch heute viele künstlerische Begabungen hervor - ausgebildet und geprägt werden sie freilich im Ausland - in Österreich etwa.

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Die jahrtausendealte Kulturlandschaft Südtirols bringt auch heute viele künstlerische Begabungen hervor - ausgebildet und geprägt werden sie freilich im Ausland - in Österreich etwa.

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Heinrich Schneider ist 1050 in der Provinz Bozen geboren, seine Marmorskulpturen waren kürzlich in der Wiener Galerie Flutlicht zu sehen, im vergangenen Herbst hat er am Wettbewerb um den Otto Mauer-Preis mit einer dreiteiligen monumentalen Plastik aus geätztem Stahl teilgenommen, in deren Zentrum in drei Stahlblechringen drei Flammen loderten.

Schneiders Marmorobjekte lassen spüren, daß der Künstler, der sein Material meist selbst aussucht, geduldig den kristallinen Maserungen nachgeht, seine Formen aus den von der Natur vorgegebenen Linien -oder in hartem Kontrast zu ihnen -

entwickelt. Der Stein scheint belebt, verführt zur Berührung, wirkt leicht und warm. Sinnliche organische Formen überwiegen, denen scharfe Kanten oder unbearbeitete Oberflächen Härte verleihen. Massig ruhen diese Steinkörper in sich, strahlen keine falsche Angenehm- heit aus.

Nach dem Besuch der Kunsthochschule in Gröden hat Heinrich Schneider bei Wander Bertoni an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien studiert und 1085 dort sein Diplom gemacht. Ein Jahr lang lebte er in Paris und war Gasthörer für Malerei. Seither lebt und arbeitet er in Wien.

Außer in Österreich hat er schon t in Frankreich und Holland ausgestellt, und in Südtirol natürlich. Aber dorthin werden die künstlerischen Kontakte immer dünnen „Es gibt kaum offizielle Kontakte zu Südtiroler Kollegen, da bestehen doch große Unterschiede vom Verständnis her. Meine Arbeiten gehen in eine Richtung, die mit deren Arbeiten nichts mehr gemeinsam hat.“

Ist es also nicht nur die fehlende

Ausbildungsmöglichkeit-es gibt in Südtirol nur die aus den Holzschnitzwerkstätten des Grödner Tales hervorgegangene Kunsthochschule in St. Ulrich - derentwegen ein junger Künstler aus Südtirol Weggehen muß?

Heinrich Schneider meint, daß sich auch vom Ausbildungskonzept her etwas ändern müßte, daß die Konfrontation mit neuen Strömungen gesucht und gefördert werden müßte, daß die Berufung auf die jahrhundertelange Tradition und auf die Vermittlung handwerklicher Fähigkeiten an der Grödner Kunsthochschule nicht genügt. „Es hängt natürlich auch von den lehrenden ab, wie sehr sie eine gewisse In- sich-Beschränktheit bewahren.“

Brächten nicht Kontakte zu Italiens Kunsthochschulen neue Impulse? Da meint der junge Künstler, daß momentan auch in Italiens Kunstmetropolen ein gewisser Stillstand zu beobachten sei. Auch würde von Südtirolem meist gar nicht in Erwägung gezogen, in Italien zu studieren: „Sie sind überzeugt davon, daß sie selbst ein hohes Niveau haben 1“

Und welche Erfahrungen hat der Südtiroler während seiner Studienzeit in Österreich gemacht? „Offiziell sind wir zwar während des Studiums den Österreichern gleichgestellt, aber ich denke, daß bei- spielsweisebei Ausschreibungen für künstlerische Wettbewerbe die Staatsbürgerschaft schon eine Rolle spieltl Auch finde ich es nicht gerecht, daß es in Österreich Staatsateliers gibt, die von längst arrivierten Leuten benutzt werden, die alle schon ihre Zweitateliers haben. Ich habe kein Atelier, ich kann meine Objekte in einer alten Ruine vierzig Kilometer von Wien entfernt unterstellen. Dabei sind die Materialkosten für meine Arbeiten, sowohl der Marmor wie auch der ge ätzte Stahl, sehr hoch!“

Doris Frisch studiert ah der Abteilung Musikpädagogik der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien Instrumentalerziehung, Geige und Schulmusik. Sie ist aus Bruneck im Pustertal zum Studium nach Wien gekommen und möchte nach ihrer Ausbildung auch wieder nach Südtirol zurück. Die 1965 Geborene weiß aber, daß ihr Wiener Studium in Italien nicht anerkannt wird, sie nachträglich an einem italienischen Konservatorium Zusatz prüfungen wird ablegen müssen.

„Trotzdem bin ich froh, daß ich fürs Studium von Südtirol Weggehen mußte - ich glaube, daß es für viele Südtiroler gut ist, von daheim wegzukommen. Außerdem habe ich in Wien die Möglichkeit, an der Hochschule mit tollen internationalen Lehrern zu arbeiten. Wir können viele musikalische Veranstaltungen mit hervorragenden Künstlern hören und sehen - das ist für uns sehr wichtig!“

Wäre denn eine Hochschule für Musik in Bozen nicht attraktiv? „Ich kann mir kaum vorstellen, daß an einer Musikhochschule in Bozen wirklich große Künstler unterrichten würden. Derzeit gibt es in Bozen nur eine Ausbildungsmöglichkeit für Instrumentalmusiker, abernicht für Musikpädagogen.“

Da für Doris Frisch nie die Konzertlaufbahn, sondern immer die künstlerische Arbeit mit Kindern erstrebenswert erschien, ist sie nicht wie andere Südtiroler Kollegen damit konfrontiert, als Orchestermusiker nur im Ausland eine Exi stenzgrundlage zu finden, meist bei deutschen oder österreichischen Ensembles. „Ich würde es sehr befürworten, wenn in Bozen ein professionelles Landesorchester gegründet würde“, meint die junge Künstlerin.

Doris Frisch, der zum Studienabschluß nur noch die Diplomarbeit fehlt, will wieder zurück nach Südtirol, weil „ich es mir zur Aufgabe gemacht habe, das Musikleben in Südtirol zu fördern - ich möchte begabte Kinder an einer Musikschule in Geige und Gesang unterrichten“.

Sie selbst hat an einer solchen Musikschule mit dem Geigenunterricht begonnen, im Kinder- und Mädchenchor gesungen. Ein dichtes Netz von Musikschulen, auch in entlegenen Dörfern, ermöglicht es begabten Kindern, außerhalb des Schulunterrichtes, aber staatlich gefördert, ein Instrument zu erlernen oder in Chorensembles zu singen.

Als Noch-Studentin fühlt sich Doris Frisch ihren österreichischen Kolleginnen und Kollegen gegenüber völlig gleichberechtigt, stipendienmäßig sogar bevorzugt, da dafür Geld aus Südtirol und aus Österreich zur Verfügung steht.

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