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Digital In Arbeit

Computerschach

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Ich spiele nie mehr Schach gegen meinen Computer. Und das kommt so: Eines Tages war ich es leid, nur „sinnvolle“, praktische Tätigkeiten wie Buchhaltung, Textverarbeitung und dergleichen mit dem Computer anzustellen. Wozu gibt es so unterhaltsame Spielprogramme? Da ich leidenschaftliche Schachspielerin

bin, erwarb ich ein Schachprogramm und trat gegen die Maschine an.

Ich wählte gleich die höchste Schwierigkeitsstufe — schließlich hatte ich einmal in der Landesliga (wenn auch nur an Brett 7 oder 8) gespielt. Stufe 6 hieß: Der Computer denkt sechs Züge voraus.

Ich begann mit dem Standarderöffnungszug: Bauer von E2 auf E4; nun passierte lange nichts. Obwohl es darauf einen einzig richtigen und vielleicht dazu noch einen alternativen Zug gibt und jeder Schachspieler sofort darauf antwortet, „dachte“ das Maschinchen demnach auch hier sechs Züge im voraus. Und das dauerte und dauerte.

Das ging noch des öfteren so. Bei Zügen, bei denen jeder normale Mensch weiß, was folgen muß, ließ sich der Computer mit seiner Antwort ewig Zeit. Das Ende vom Lied: Ich hatte die Nase voll, brach ab und wählte Stufe 2. Jetzt dachte er nur noch zwei Züge voraus, was die Sache schon beschleunigte.

Kein Wunder, daß ich auf diese

Weise bald in einer besseren Position war — und leichtsinnig wurde. Holterdipolter machte ich einen Fehlzug.

Doch jetzt kommt die Charakterlosigkeit dieses Gegenspielers: Es war klar, daß dies ein unsinniger Zug war, und natürlich läßt man bei einem Trainingsspiel unter Freunden einen solchen Zug sofort zurücknehmen — solange man die Figur auch noch in der Hand hält. Aber dieses Ding hat ja nur Tasten, da hat man so schnell darübergetippt!

Ich war empört: Gute Gepflogenheiten unter Freunden waren demnach nicht üblich. Ein neuerlicher Anlauf erbrachte wieder eine glänzende Ausgangsstellung für mich. Ich war einen Springer voraus und nahe davor, einen Bauern als Dame durchzubringen. An seiner Stelle hätte jetzt jeder Schachkenner in einer solchen Situation den König umgeworfen, also aufgegeben.

Aber was tut er?! Das interessiert den gar nicht. Er zwingt mich, weiter und weiter stumpfsinnige , Endspielstellungen durchzuspielen — in für ihn aussichtsloser Lage. Ja, hatte denn keiner den Befehl „aufgeben“ einprogrammiert?

Da man ja selten in solche Endspielpositionen gerät, machte ich schwupp — zurückzunehmen, siehe oben, war ja nicht — einen dummen Zug und mein Turm war weg. Aber jeder andere hätte natürlich längst aufgegeben!

In meiner Wut wollte ich, wie in solchen Situationen üblich, nach den Figuren greifen und sie Richtung Bildschirm schleudern — nichts war's! Figuren gibt's ja

nicht, nur helle und dunkle Symbole hochkant auf dem Terminal.

Wohin also mit meinem Aggressionsstau?

Und so wird sicher jeder verste-| hen, daß ich die Ausgabe für das Schachprogramm für eine Fehlinvestition halte.

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