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Das Ohr am Eisernen Vorhang

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Ein Buch, gegliedert in 24 Kapitel, eines davon ist der modernen Technik im Dienste der Spionage gewidmet, das letzte den Westagenten hinter dem Eisernen Vorhang. Einer der Gründe für den Erfolg der sowjetischen und kommunistischen Spionage ist der dort gehegte Grundsatz, „ein Spion darf nicht unter Geldmangel leiden“. Da im Gegensatz dazu die Parlamente des Westens nur allzu gerne am Verteidigungsbudget Abstriche durchsetzen, kann dieser Grundsatz in entgegengesetzter Richtung nicht angewendet werden. Trotz der Bedeutung des Geldes weiß man in den östlichen Spionagezentralen, daß ein Spion aus Uberzeugung besser arbeitet als ein bezahlter Agent. Allerdings weiß man das auch im Westen. Da nicht alle Bewohner des Ostens überzeugte Anhänger des herrschenden Systems sind, kann auch der Westen Erfolge auf dem Gebiet des Geheimdienstes für sich verbuchen.

In den einzelnen Kapiteln werden verschiedene berühmte Fälle der Ostspionage eingehend dargestellt. Dank der Perfektion der technischen Resultate können geradezu beängstigende Resultate erzielt werden.

Früher waren Spionagefälle etwas seltenes, man denke an die Aufregung über den Faul des Oberst Redl. Heute fehlt im Westen die gefühlsmäßige Bindung an den Staat, der Korpsgeist der Streitkräfte, daher diese zahlreichen Einbrüche feindlicher Nachrichtendienste. Natürlich ist auch Erpressung ein beliebtes Mittel der Geheimdienste.

Das Buch sollte von allen jenen gelesen werden, die leichtfertig Ostkontakte herstellen, die kommunistischen Länder bereisen und Delegationen von dort empfangen.

Nur eine Frage stellt sich dem Leser: Das Buch berichtet von Spionage auf dem Gebiet der Diplomatie, der Streitkräfte und der Industrie, nicht erwähnt wird die öfters zu beobachtende meisterhaft beherrschte Orchestrierung westlicher Massenmedien im Dienste der Politik des Kremls.

Wilhelm E. Mallmann

OSTAGENTEN AM WERK. Von Bernard J. Hut ton. (Titel der englischen Originalausgabe: „Struggle in the Dark“, deutsche Ubersetzung von Wilhelm Höck. Franz-Ehren-wirth-V erlag-KG, München 1972, S 236.—. eine Transpiantage eingerichtet hat, das heißt: eine Klinik, wo er alles mögliche transplantiert. Im Falle Krämer-Badoni kommt sein Kopf — nach einem Autounglück, das seinen Körper zerschmetterte, desgleichen den Kopf der Dame, deren Auto mit dem seinen kollidierte — auf den unversehrten Körper dieser Dame. Er wird, zumindest vorübergehend, vom Hals bis zu den Fußspitzen weiblich. Und als er sich schließlich daran gewöhnt hat, findet sich der passende männliche Körper für ihn. Neue Operation. Er erkennt aber eines Tages bei einem Stadtbummel — wie, soll nicht verraten werden —, daß er an einer ihm völlig unbekannten Dame vorübergeht, die, infolge einer ebenfalls zweiten Transplantation, jetzt den Körper besitzt, den er vorübergehend sein eigen nennen durfte. Bekanntschaft und ... nun, man kann es erraten.

Hartenberg macht noch andere Experimente, von denen hier nicht berichtet werden soll.

Oder da ist die Parodie auf die deutsche Polizei, die einen aus einem Omnibus flüchtenden Mann — Krämer-Badoni selbst — nicht finden kann. Oder die Parodie auf die neuen Pornoromane und Hinweise darauf, wie man sie verbessern könnte. Oder die — bitterernste — Parodie auf die Kidnapping-Welle. Oder die Parodie auf Heinrich Boll, den er stilistisch so vorzüglich imitiert, daß man sich fragt, ob nicht vielleicht Krämer-Badoni durch eine Transplantation mit Teilen von Heinrich Boll... ? Oder ob Heinrich Boll vielleicht nur ein Pseudonym von Krämer-Badoni ist? Oder ob der Fall umgekehrt liegt... ?

Aber genug davon. Das alles läßt sich nicht erzählen. Oder, besser: es läßt sich nicht halb so gut erzählen, wie Krämer-Badoni es erzählte. Was das Buch so lustig macht, aber, wie gesagt, auch nachdenklich stimmt, ist wohl die Allüre des Autors. Er ist nämlich stets ein bißchen belustigt, zwischen jeder dritten und vierten Zeile scheint er zu sagen: „Aber das ist doch alles gar nicht so wichtig!“ Und vor allem: „Nehmt mich nicht so wichtig ...“ Er selbst tut es wirklich nicht.

Es ist leichter, so einen Satz hinzuschreiben, als diese Selbstironie transparent zu machen. Welcher berühmte Schriftsteller — vieleicht waren es auch mehrere — hat gesagt, es sei nichts schwerer, als leicht zu sein? Die Leichtigkeit des Stils bei Krämer-Badoni ist geradezu unübertrefflich. Auf die Gefahr hin, von Extremisten — im Augenblick sind es wohl die Linksextremisten — als besonders nationalistisch aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen zu werden, möchte ich sagen, daß ich selten in den letzten Jahren ein deutsches Buch gelesen habe, das so typisch französisch ist. Die Tatsache, daß Krämer-Badoni aus dem Rheinland stammt, erklärt manches, aber nicht alles. (Der typisch rheinische Humor ... na ja ...) Franz Molnar sagte einmal, als davon die Rede war, wie schwer es sei, ein gutes Lustspiel zu schreiben: „Es genügt nicht, Ungar zu sein. Man braucht auch einen dritten Akt!“

Das Buch Krämer-Badonis besteht nur aus dritten Akten.

Aber wie das nun mit seinem Leben ist .. Man erfährt eigentlich, nur, daß ihn seine Großmutter sozusagen aktivistisch sexuell aufgeklärt hat, und daß sein Bruder Staatssekretär ist, und daß er selbst sein Leben für beneidenswert hält.

Ganz abgesehen davon, daß das jeder von sich behaupten kann, dessen Bruder Staatssekretär ist, er selbst aber nicht: wer sonst kann das noch in der heutigen Zeit von sich behaupten? Ich jedenfalls möchte nur sagen, daß ich einen Mann für beneidenswert halte, der so schreiben kann!

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