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Der Jesus der Gymnasiasten

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Wo der Religionsunterricht aufgibt oder aufgegeben wird, brechen nicht selten religiöse Probleme in anderen Fächern durch - in Kunsterziehung, Philpsophie oder Literatur.

Umgekehrt gelingt es einem zeitgemäßen Religionsunterricht heute, Fähigkeiten aus anderen Fächern einzubinden, so daß in manchen Schulen im Religionsunterricht die interessantesten Zeichnungen zustande kommen oder die Medienkunde und Literaturpflege in Religion eine praktische Anwendung erfahren, die den Schülern reizvoller als das Primärfach ist.

Am Bundesgymnasium Vöckla-bruck in Oberösterreich ist kürzlich unter der Redaktion des katholischen Religionsprofessors Franz Leitner und eines Schülerkomitees eine Sammlung von religiösen Texten von Studenten entstanden („Jesus lebt in Vöcklabruck", 52 Seiten)

Zu bedenken ist dabei: „Junge Menschen" sind hier Gymnasiasten sowie einige Schüler der Handelsakademie. Wie sehr sich ihr Denken von der Problematik der übrigen Jugend unterscheidet, läßt sich ebenfalls zwischen den Zeilen lesen.

„Habe ICH

überhaupt eine Chance,

etwas zu ändern -nicht so zu werden wie die Erwachsenen?

Ich habe Angst. Ja, wirklich Angst erwachsen zu werden!"

Der Gymnasiast, der das artikuliert, ist immerhin 16 Jahre. Respekl vor seinem Mut zur Angst!

„Ich denke an das Leid. Mich schaudert. Das umgibt mich immer.

Ich brauche nichts zu spüren. Mein Leben ist wie rosarot. Es scheint, daß Christus für mich nutzlos ist.

Ich bedenke so wenig die Trauer, die die Welt umsäumt, und versuche, sie mit falscher Lebenslust zu überdecken.

Die Frage nach dem Sinn des Lebens meide ich.

Ich scheue das Opfer.

Gott ist für mich wie eines der Bilder in einer Galerie: Man betrachtet es einmal, man glaubt sich zu freuen, aber verstehen?

Herr, Dein Kreuz ist der Weg zu Gott."

Hier also das konträre Gefühl, ausgedrückt von einer Handelsschülerin. Vielleicht ein wenig her master's voice. Aber ehrlich sind diese jungen Beter alle, auch wenn sie nur reflektieren.

„Ich wünsch dir - wie ein Kind naiv und gutgläubig - die Hand zu öffnen, und bin gewiß, es wird sich jemand finden,

du magst ihn Gott nennen, der sie dir füllt.

Sich beschenken zu lassen,

ohne an Gegenleistung zu denken, * ohne zu rechnen und beschämt zu werden -

gehört zu den Dingen, die wir so wenig vermögen:

Die offene Hand sei darum mein Wunsch an dich!"

Das ist aus dem gemeinsamen Text einer Maturaklasse. Manchmal hört man dergleichen in den Fürbitten oder Meditationen von Studentengottesdiensten, die ja auch der Anlaß für manche Formulierung gewesen sein mögen.

Schwarz auf weiß, verglichen und selektiert, bietet so eine Auslese mehr Denkanstöße als die obligate Religionsnote, deren Interpretation noch dazu diskutabel ist.

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