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Der Messiaen-Preisträger
Das Konzert Michel Beroffs im Mozart-Saal war mehr als ein gewöhnlicher Klavierabend. Das klug zusammengestellte Programm demonstrierte, ohne didaktisch zu wirken, wie eines aus dem andern entsteht, wie Künstler von Format in der Tradition sich entfalten. — Claude Debussy schrieb seine „Estampes“ (Kupferstiche) 1903 und das 2. Heft der „Images“ 1907. Pagoden, Granada, Gärten im Regen, Glockenklänge und huschende Goldfische werden durch subtil-raffinierte und virtuose Klavierstücke evoziert. (Man r->ag das „Impressionismus“ nennen.)
Olivier Messiaen, Jahrgang 1908, hat ganz andere Inspirationsquellen: religiöse und mystische vor allem, den heiligen Thomas, Johannes vom Kreuz, Theresa von Lisieux und, immer wieder, die Bibel. Messiaens Tonsprache ist üppig und schwelgerisch, seine Kommentare sind zuweilen nicht weniger mystisch als seine Musik. (Man mag diese als „expressionistisch“ bezeichnen.) Aber Messiaens Harmonik basiert unverkennbar auf jener Debussys, was bis in einzelne Wendungen nachzuweisen wäre. Und auf diese geht ja so vieles in der neuen Musik zurück.
Aber auch Debussy ist nicht als Meister vom Himmel gefallen: Eine seiner stärksten Anregungen empfing er in Rußland, wo er während drei
Sommern im Haus der berühmten Tschaikowsky-Freundin Nadeschda Filaretowna von Meck weilte — ein biographisches Detail, das bisher wenig beachtet wurde. Man weiß, daß er dort, natürlich, viel Musik von Tschaikowsky hörte und spielte, ebenso Werke von Borodin und Bala-kirew — wahrscheinlich auch von Mussorgsky. Die in Paris seit 1874 liegende Partitur des „Boris“ hat er jedenfalls genau studiert. Vieles darin mag ihn in seinen eigenen Bestrebungen bekräftigt haben.
Das ging einem so durch den Kopf, während man dem Spiel des 23jähri-gen Michel Beroff — mit dem Gesicht eines hübschen russischen Bauernmädchens — zuhörte, der in den französischen Vogesen geboren wurde, in Nancy und Paris studierte, der bereits mit 17 Jahren den 1. Preis beim Messiaen-Wettbewerb von Royan erhielt und der heute ohne Zweifel zur Spitzenklasse der jungen Pianisten zählt. Die Werke Messiaens spielt er auch mit besonderer Einfühlung und einer Sensibilität, die zuweilen fast zu fein ist für manche reißerische oder banale Stellen in den „Regards sur l'enfant Jesus“, aus denen Beroff fünf ausgewählt hatte. Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ bildeten den 2. Teil des interessanten Programms.
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