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Der Mietenindex dient nur als Nebelwerfer

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Eine scheinbar paradoxe Tatsache: In Österreich werden Mietenstopp und Mietenkontrolle unvergleichlich rigoroser gehandhabt als in der Schweiz oder in der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch steigen in Österreich laut Index die Mieten viermal so rasch. Der heimische Wohnungsindex - Schulbeispiel eines „Kraut-und-Rüben-Index“ - sollte schon allein aus Gründen der wirtschaftspolitischen Transparenz einer radikalen Reform unterzogen werden.

Auch bei innerösterreichischen Vergleichen drängt sich die Uberzeugung auf, daß beim Wohnungsindex nicht alles im rechten Lotjst: Der Verbrauche rpreisindex, der immer noch von preislich nicht kontrollierten Waren dominiert wird, ist seit 1966 um rund 80 Prozent gestiegen, der Index für den Wohnungsaufwand brachte es aber im selben Zeitraum auf stolze 180 Prozent. Und das alles übrigens in einem Land, in dem die - speziell in den Großstädten - noch immer vorherrschenden Altwohnungen nach wie vor zum überwiegenden Teil einen auf das Niveau von 1914 eingefrorenen Mietzins haben!

All die Widersprüche sind vor allem aus dem Umstand zu erklären, daß der Wohnungsindex ein Mischbecken verschiedener heterogener Faktoren ist und daher keine wirkliche Aussagekraft besitzt.

Ein Beispiel: Wenn eine freiwerdende Altwohnung modernisiert und dann zu einem weit höheren Mietzins wieder vermietet wird, so erscheint dies im Mietenindex ausschließlich als Teuerung. Der qualitative Unterschied wird völig außer Betracht gelassen.

Ein anderes Beispiel: Zwischen Februar 1975 und Mai 1976 ist der durchschnittliche monatliche Wohnungsaufwand bei Wohnungen, die vor 1919 erbaut worden sind, um 67 Schilling gestiegen, bei jenen, die in den sechziger Jahren errichtet wurden, aber um 81 Schilling. Da bei den Althäusern die Klein- und bei den neueren Häusern die Mittelwohnungen überwiegen, könnte man bei rein summarischer Betrachtung die differenten Wohnungsgrößen für den Unterschied des absoluten Kostenanstieges verantwortlich machen.

Wie aber erklärt sich dann, daß bei den Wohnungen, die seit 1971 gebaut worden sind und die im Durchschnitt bestimmt nicht größer als die Wohnungen der sechziger Jahre sind, die Teuerung gleich 200 Schilling ausmacht?

Ganz einfach: Während die übrigen Kategorien abgeschlossen sind, haben sich die Wohnungen der letzten Bauphase in der Berichtsperiode um rund 50 Prozent vermehrt. Angesichts des laufenden Ansteigens der Baupreise sind aber die neu fertiggestellten Wohnungen immer wieder teurer als die etwas früher auf den Markt gekommenen. Der Durchschnitt der Wohnungspreise dieser Kategorie wird also - auch wenn sich für denjenigen, der die Wohnung bereits seit 1971 besitzt, nichts ändert - kontinuierlich höher.,

Aber: Auch die Kosten bei zinsgestoppten Altwohnungen sind in den letzten Jahren sprunghaft in die Höhe gegangen, prozentuell oft sogar stärker als bei Neubauwohnungen. Denn wenn eine Substandardwohnung mit einem Hauptmietzins von 25 oder 30 Schilling je Monat plötzlich um 40 Schilling teurer wird, so ist dies ein ganz anderer Prozentsatz, als wenn eine 1000-Schilling-Wohnung von 1970 sich um 80 Schilling verteuert.

Ursache dafür ist der raketenhafte Anstieg der Betriebskosten - also der öffentlichen Tarife, Versicherungsprämien, des Hausbesorgerentgeltes usw. -, die zusätzlich zum Hauptmietzins eingehoben werden. Nun machten noch Mitte der fünfziger Jahre die Betriebskosten nicht viel mehr als 20 Prozent des gestoppten Hauptmietzinses aus, waren also eine quantite negligeable. Heute belaufen sich aber die Betriebskosten bereits auf das Drei- und Vierfache des Hauptmietzinses, weshalb auch ihre Erhöhung viel stärker auf den Index durchschlägt.

Dies sind nur einige Gründe “dafür, weshalb der Wohnungsindex so geringe Aussagekraft besitzt. Und weshalb er zu Fehlreaktionen der Wirtschaftspolitiker führen muß, die dann vergebens versuchen, im Rahmen des Mietrechtes zu kurieren, was tatsächlich durch Baupreise, öffentliche Tarife und sonstige Fremdwirkungen verursacht wurde.

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