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Die ich rief, die Geister...

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Stellen Sie sich vor, Sie wären gerade 90. Die Geburtstagsfeierlichkeiten haben Sie gut hinter sich gebracht. Unter den Gratulanten war auch der Bezirksvorsteher, der Ihnen neben guten Wünschen und dem obligaten Geschenk auch eine Liste über die sozialen Hilfsmöglichkeiten der Gemeinde Wien überbrachte.

Na ja, eine Heimhelferin wäre vielleicht doch recht praktisch - und man könnte die Kinder etwas entlasten, die bisher behilflich waren. Nach einigem Überlegen besprechen Sie sich mit einer Bekannten von der Pfarre. Die ist sehr dafür, daß Sie jemand „Geschulten“ bekommen und versichert, sofort das Nötige in die Wege zu leiten.

Zuerst rührt sich einige Zeit gar nichts, dann erscheint eine freundliche Dame - sie stellt sich als Fürsorgerin der Pfarre vor, und fragt nun, was denn zu tun wäre, wie viele Stunden die Helferin kommen soll, und geht schließlich mit dem Versprechen, daß bald eine Helferin kommen werde.

Als nach einer Woche eine junge Frau läutet, begrüßen Sie diese sehr freundlich -man würde ja längere Zeit miteinander auskommen müssen. Etwas irritiert sind Sie, als sich diese Frau als

Sozialarbeiterin der Organisation X herausstellt, die erfahren hat, daß Sie eine Helferin brauchen und nur besprechen will, was Sie genau benötigen. Wahrscheinlich muß das eben so sein, denken Sie und geben geduldig, nun zum zweiten Mal, Auskünfte über Ihren Haushalt und Ihre Bedürfnisse. Sie nehmen auch überrascht zur Kenntnis, daß Sie aufgefordert werden, Ihre Personaldokumente und Einkommensnachweise vorzubereiten. Sonderbar, denken Sie, während Sie die Papiere herauslegen.

Kurze Zeit später erscheint wieder jemand - stellt sich vor (vermutlich wieder eine Fürsorgerin?) und gibt an, vom Magistrat zu -kommen. Sie will die Dokumente sehen und fragt wieder, was Sie brauchen. Als Sie darauf hinweisen, daß Sie das schon etliche Male erzählt hätten, bekommen Sie eine nichtssagende Antwort.

Als es nach einigen Tagen wieder läutet, öffnen Sie schon vorsichtiger - man kann ja nicht wissen. Erleichtert atmen Sie auf, als sich die nette Frau als Ihre Helferin vorstellt, sofort ihre Arbeitskleidung anzieht und gleich fragt, ob sie den Mistkübel hinunter tragen soll.

Von nun an freuen Sie sich schon auf den Tag, an dem Ihre Frau Z. wieder kommt. Alles ist in Ordnung, Sie fühlen sich verstanden und sind glücklich, eine tüchtige Helferin zu haben.

Wenn Sie nun glauben, damit wäre alles geregelt, irren Sie! Plötzlich taucht wieder eine Dame auf, sagt, sie komme von der Einsatzleitung, sei Fürsorgerin und wolle nur die Leute kennen lernen, zu denen die Helferin kommt.

Als Sie für kurze Zeit ins Spital müssen, erscheint eine Spitalsfürsorgerin, fragt, ob Sie daheim allein sind und eventuell Hilfe brauchen, will verschiedenes wissen und bietet verschiedene Hilfen an.

Wieder zu Hause öffnen Sie gar nicht mehr, als sie draußen eine gedämpfte weibliche Stimme „Fürsorgerin“

sagen hören. Es reicht Ihnen einfach und Sie sollen nicht zum x-ten Mal Ihre Lebensgeschichte erzählen. Zwar tut Ihnen die Frau leid, die draußen steht, aber was zu viel ist, ist zu viel.

Dann bleibt die Tür auch geschlossen, als wenig später die Zeugen Jehovas und der Rauchfangkehrer läuten. Dann klopft jemand sehr energisch: er sei Sozialarbeiter, komme von der Indivi-dualfürsorge, weil Sie neulich die Fürsorgerin nicht hineingelassen hätten ...

Sie öffnen verstimmt und versuchen, Ihre Situation zu erklären. Sie haben aber den Eindruck, daß Ihr Gesprächspartner Sie gar nicht versteht - wahrscheinlich hält er Sie für verwirrt und schwierig.

So geht es heute vielen alten Menschen unter uns - ob es sich da nicht einmal lohnt, darüber nachzudenken, ob das wirklich so sein muß?

Ob man nicht manches erleichtern könnte, gerade für ältere Menschen, die sich nicht mehr so leicht auf andere einstellen können? Wäre es nicht besser, wenn sich nur einer um einen Hilfesuchenden kümmert?

Viele „Köche“ bewähren sich schon bei einem „Brei“ nicht - aber Menschen sollen damit fertig werden?

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