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Die vier Grobiane

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Aufgeführt, ist das seltene Beispiel einer perfekten deutsch-italienischen Legierung, einer so vollkommenen Synthese, wie sie nur noch von Mozart in einigen Bühnenwerken realisiert wurde. Er stammt nicht nur von einem deutschen Vater und einer italienischen Mutter, sondern pendelte auch ein Leben lang zwischen seinen beiden Heimatländern hin und her: als Studierender der bildenden Kunst in Rom und der Münchner Akademie der Tonkunst; später war er Direktor des Konservatoriums Benedetto Marcello in Venedig und des Salzburger „Mozarteums“. Die längste Zeit, seit 1909, lebte er als Freischaffender in München, zuletzt, als Bombenflüchtling, in Altaussee — und starb, nach einem kurzen Aufenthalt in Zürich, 72jährig in seiner Geburtsstadt Venedig.

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Aufgeführt, ist das seltene Beispiel einer perfekten deutsch-italienischen Legierung, einer so vollkommenen Synthese, wie sie nur noch von Mozart in einigen Bühnenwerken realisiert wurde. Er stammt nicht nur von einem deutschen Vater und einer italienischen Mutter, sondern pendelte auch ein Leben lang zwischen seinen beiden Heimatländern hin und her: als Studierender der bildenden Kunst in Rom und der Münchner Akademie der Tonkunst; später war er Direktor des Konservatoriums Benedetto Marcello in Venedig und des Salzburger „Mozarteums“. Die längste Zeit, seit 1909, lebte er als Freischaffender in München, zuletzt, als Bombenflüchtling, in Altaussee — und starb, nach einem kurzen Aufenthalt in Zürich, 72jährig in seiner Geburtsstadt Venedig.

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Wolf-Ferrari hat vier ernste und acht heitere Opern geschrieben. Den ersten durchschlagenden Erfolg hatte er mit den „Neugierigen Frauen“, die 1903 im Münchner Hofoperntheater uraufgeführt und danach in Berlin innerhalb von vier Monaten 75 mal gegeben wurden. Der Text stammte von Goldoni, bei dem er auch das Sujet seines zweiten Erfolgswerkes fand. „Die vier Grobiane“ hatte ihm Giuseppe Piz-zolato als Libretto eingerichtet und Hermann Treibler ins Deutsche übertragen. 1906 fand die Uraufführung statt, aber erst 1934 brachte Clemens Kraus die „musikalische Komödie in drei Aufzügen“ an der Wiener Staatsoper heraus. Regie führte damals Lothar Wallerstein. Jene Aufführung hat, vor allem im orchestralen Teil, gültige Maßstäbe gesetzt. — Die letzte Wiener Aufführung fand 1948 im Redoutensaal statt, und wir haben, wohl mit gutem Grund, die Erinnerung an sie fast vollständig verdrängt.

Nun brachte die Wiener Volksoper eine Neuinszenierung, die für viele, vor allem aus dem Kreis der jüngeren Opernbesucher, eine erste Begegnung mit einem Werk Wolf-Ferraris bedeutet hat. Herbert Wochinz führte Regie, Matthias Kral] hatte die Bühnenbilder und Kostüme geschaffen, Argeo Quadri dirigierte. — Der optische Eindruck war der allergün-stigste: dezente Farben, vornehmlich braun, weiß und grau, dazu hellstes Licht, das auf unseren Bühnen so selten geworden ist und daher als Wohltat empfunden wird, schöne, geschmackvolle und zeitgerechte Kostüme — da paßte alles und jedes, ob Interieur, Dachterrasse oder Keller.

Vielleicht hatten sich manche im Spiel etwas von der komödiantischen Turbulenz des Porcia-Stils erwartet. Aber da schiebt die dezente, oft gemächliche und mehr fließende als dahinrasende Musik Wolf-Ferraris einen Riegel vor, den Herbert Wochinz klug respektierte. Das ist eine Meisterpartitur mit schlanken, anmutigen Melodiebögen, mit geistvoll belebter Rhythmik, mit nahtlosen Übergängen zwischen Kanti-lene und Rezitativ, ohne Grimassen im Klanglichen, sondern eher mit einer gewissen liebevollen Distanz. Die großen Nummern erhalten witzige Glanzlichter, die nicht zu Knalleffekten vergröbert werden dürfen.

An diese „Spielregel“ hat sich Wochinz gehalten, und dafür muß man ihm dankbar sein. Was an Zeitbedingtem, an purer Naivität in manchen Passagen steckt und gelegentlich sich auch in die Länge zieht

— dagegen konnte auch er nicht an. („Schlimmer!“ — „O du Spitzbub!“

— „Gib acht, ich fange dich!“ — das sind Dinge, die man abschätzig als Wolf-Ferrarismen bezeichnet, ebenso wie eine gewisse artistische Glätte im Melodischen und Instrumentalen.)

Mehr Feinheit war vom Orchesterpart zu erwarten, den Argeo Quadri zu betreuen hatte. Oder ignorierte er in der Musik Wolf-Ferraris zu sehr das gemüthaft-deutsche Element? Hingegen war die Besetzung aller Haupt- und Nebenpartien, sowohl was Spiel wie Schöngesang betrifft, vorzüglich: die Herren Dönch, Gutstein, Jungwirth und Korn als Grobiane, die temperamentvollen Damen Monique Lobasa, Marilyn Zschau, Hanny Steffek und Hilde Rössel-Maidan sowie der jugendliche Liebhaber Adolf Dalla-pozza als Filipeto. — Dem Premierenpublikum haben Werk und Wiedergabe ausgezeichnet gefallen.

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