ORF: Journalismuskritik braucht Faktenbasis

19451960198020002020

Die harsche Kritik von Paul Mychalewicz in der letzten FURCHE am ORF und an Ö1-Redakteur Stefan Kappacher sei unfundiertes Ressentiment, meint Fritz Hausjell. Eine Erwiderung.

19451960198020002020

Die harsche Kritik von Paul Mychalewicz in der letzten FURCHE am ORF und an Ö1-Redakteur Stefan Kappacher sei unfundiertes Ressentiment, meint Fritz Hausjell. Eine Erwiderung.

Werbung
Werbung
Werbung

In seinem letztwöchigen Gastkommentar hat sich Paul Mychalewicz einen – ja: einen – „Morgenjournal“-Beitrag eines Redakteurs herausgegriffen, um zu behaupten, „mit tendenziösen Beiträgen“ drohe der ORF „das noch vorhandene Vertrauen zu verspielen“. Selbst wenn dieser eine Beitrag nicht objektiv gewesen wäre, berechtigte er zu keiner Verallgemeinerung. Aber weshalb war er denn nicht objektiv? Es ging um einen Bericht über die Umbenennung einer Bundesheer-Kaserne. In einer Kommission wurde der Vorschlag kontrovers debattiert, eine bisher nach dem Kriegsverbrecher Alois Windisch benannte Kaserne künftig nach dem ersten Verteidigungsminister der Zweiten Republik, Ferdinand Graf, zu benennen. „Rasch wurde aber klar, dass das Ziel in der Denunzierung Grafs als ungeeignet für die Namensgebung bestand“, unterstellt Mychalewicz. Er behauptet: „Graf war ,Austrofaschist‘, sein ,Pluspunkt‘ KZ-Aufenthalt wird ihm aber gestrichen wegen der Gespräche, die er nach 1945 mit ehemaligen Nationalsozialisten führte.“

Vorenthaltene Informationen

Das ist ein Vorwurf, der nicht hält. Es wurde nichts gestrichen, wie der Bericht von Stefan Kappacher verdeutlicht. Dieser endet ohne Auslassungen im „Ö1-Morgenjournal“ vom 17. Februar dieses Jahres mit folgenden Sätzen: „Graf war als austrofaschistischer Funktionär von den Nazis im KZ Dachau interniert. Nach dem Krieg war er Verbinder zu ehemaligen NSDAP-lern, führte die Kameradschaftsverbände eng ans Heer heran und begrüßte den Kriegsverbrecher Windisch nach der Rückkehr aus jugoslawischer Haft an der Grenze. Ausgerechnet Graf, da könne man sich die Umbenennung gleich sparen, habe der Tenor auf diesen Vorschlag gelautet. Nach drei Minuten sei die Diskussion vorbei gewesen, heißt es dazu aus der Denkmalkommission.“ Einige dieser Fakten hat Mychalewicz allerdings seinerseits dem FURCHE-Publikum vorenthalten. Stattdessen hob er lobend hervor, dass Graf „gegen Ende der Besatzungszeit diskret die B-Gendarmerie als Vorstufe für das neue Bundesheer aufbaute“.

Dabei hatte der Kritiker in der FURCHE rund 5200 Zeichen Platz für seine Vorwürfe, also um 2000 Zeichen mehr als der Radiojournalist im „Morgenjournal“. Hier alle relevanten Informationen unterzubringen, ist ein kleines journalistisches Kunststück. Jeder einzelne Beitrag in der tagesaktuellen Berichterstattung – darunter fallen rundfunkrechtlich die Ö1-Journale – muss übrigens nicht alle Aspekte abdecken, besonders wenn es ohnedies zum Thema an mehreren Tagen Berichte gibt. Mit ein paar Rechercheklicks hätte Mychalewicz in der Medienberichterstattungsdatenbank „APA defacto“ das prüfen können. Er wäre auf zumindest einen weiteren Ö1-Bericht zum Thema gestoßen, vom gleichen Journalisten gestaltet und ebenfalls im „Morgenjournal“, bereits zwei Tage früher gesendet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung