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Eltern, Lehrer, Parteien, Medien müssen aufklären
Nach der „Club-2-"Diskussion über Neonazismus am 3. April gab es besonders viele Telefonanrufe. Eine junge Frau sagte: „Ich arbeite in einer großen Firma und habe Unbeschreibliches auszuhalten.
Ich fürchte mich nicht vor den Neonazis, sondern vor den sogenannten Durchschnittsbürgern. Viele grüßen mich nicht, einige reden überhaupt nicht mit mir, andere quälen mich mit ihren Witzen. Was kann ich dafür, daß ich eine Jüdin bin und mein Onkel im KZ verbrannt worden ist? Ich bin am Ende meiner Kraft. Bitte, tun Sie etwas ..."
Ihre Tränen waren die stärkste, die unvergeßliche Reaktion auf diese Diskussion. Was kann man für sie und für die anderen, denen es wie ihr ergeht, tun?
Einmal informieren: früh genug schon im Elternhaus, dann in Schule und Jugendorganisationen, in Parteien und Massenmedien - daß Menschen, die dergleichen mitgemacht haben, ein Recht auf besondere Rücksichtnahme, auf übersensible Reaktion und daher auch auf übergroße Schonung haben.
Judenhaß ist das „Fundament des Neonazismus", argumentiert Günther Bernd Ginzel in „Hitlers (Ur)enkel" (Droste-Verlag). Zur „Einstiegsdroge" kann sehr wohl der „oft .harmlose' Judenwitz und das, was dahintersteckt" werden.
Man übersehe den Zusatz „was dahintersteckt" nicht. Allzuoft sind es Lieblosigkeit, Gleichgültigkeit oder gar Haß.
Junge Menschen haben ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Ihnen muß der Nationalsozialismus differenziert geschildert werden: ohne Verharmlosung, aber auch ohne haßerfüllte Ver-teufelung seiner betrogenen Opfer.
„Das Gefährliche an dieser Fernsehdiskussion war, daß dieser Neonazi einige Halbwahrheiten aussprach", meinte Unterrichtsminister Helmut Zilk zur FURCHE.
Die ganze Wahrheit vorzutragen, läge vor allem an den Lehrern, die den psychologischen Hintergrund schildern müßten, vor dem die NS-Ideologie entstehen konnte: die Diktatverträge von Versailles und St. Germain, die Weltwirtschaftskrise, die politischen Privatarmeen (die im rechtsextremen Milieu jetzt wieder gefördert werden!), das Idealismusreservoir, das die Demo-kratiedemolierer in den demokratischen Parteien nicht anzapfen konnten.
Eltern und Lehrer dürfen den vielen Fragen nicht ausweichen, müssen die Diskussion ohne Schwarzweißmalerei betreiben. Nur dann wird man ihnen auch die entscheidende Schlußfolgerung abnehmen: daß auch das scheinbar Gute dieser Ideologie letztlich unausweichlich dem Bösen diente und dienen muß — auch heute.
Außerdem müssen arglose Bürger, die sich gern als „unpolitisch" bezeichnen, die Fassade der Neonazis durchschauen lernen. So mancher raffinierter Agitator ködert Ahnungslose mit einer vehementen Verurteilung der Abtreibung. Das ist irreführende Heuchelei in einer Ideologie, deren geistige Väter Rassendiskriminierung, Ausländerhetze und Vernichtung „unwerten" Lebens propagierten.
Eine sich als „unpolitisch, aber eher katholisch" bezeichnende Dame rief gleichfalls an und rügte als unfair, daß dem jungen Disku-tanten nicht genug das Wort erteilt worden sei. Im Laufe des Gesprächs meinte sie dann, alle Gesellschaftsschädlinge gehörten „vernichtet."
Dieser Alltagsnazismus, der sich nicht in SS-Uniformen und Lederjacken kleidet, ist gefährlicher als das Soldatenspiel verschwindender Minderheiten. Gibt er sich auch noch christlich ver-brämt.wird behutsames, aber unzweideutiges Informationsbemühen auch zur Kirchenpflicht.
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