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Er gießt, was andere ersinnen

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Was Bildhauerprominenz und Avantgardeplastiker auch ersinnen und in kunstvollen ModeUen austüfteln mögen, erst in der Gießerei, durch den Meister, werden diese Entwürfe monumentale Bronzedenk-mäler oder edel geformte Kleui-plastiken in Messing. Professor Wotruba weiß das ebenso wie Professor PiUhofer, Erwüi Reiter, Walter Pichler, und Oswald Oberhuber ebenso wie Franz ölzant, Bruno GironcoH oder Roland Goeschl.

Sie schätzen ihren Meister Alfred Zöttl, der als einer der letzten dieses Hand- und Kunstwerk im großen StU betreibt. Einer seiner letzten und umfangreichsten Aufträge war Wo-trubas Richard-Wagner-Denkmal für Mainz; demnächst gießt er Alfred Hrdliokas neun Meter langes Riesenrelief (mit 35 Quadratmeter Fläche) für den Gesiba-Wohnblock in der Wiener Heiligenstädterstraße und Sukopps „Vietkong"-Denkmal für Schwechat. Und schon jetzt träumt er davon, Wotrubas Entwurf für eine Klosterkapelle der Karmeliterinnen in Mauerbach zur Gänze aus Metallteilen herzustellen. So Zöttl: „Das wäre für Wien eine der tollsten Attraktionen. Kühner als le Cor-busiers südfranzösische Kirche!"

Seit 1966 leitet Alfred Zöttl (Jahrgang 1936) die Gießereiwerkstätten in Margareten, seit ‘68 betreut er so ziemlich alle großen Aufträge.

Hauptproblem ist für ihn freilich der Platzmangel. Je größer die Aufträge, desto mehr Schwierigkeiten: Eine der g^-oßen Gemeindewerkhallen wäre das richtige. Aber bisher hat er sich das vergebens gewünscht: „Dabei müßte es doch im Interesse der Gemeinde Wien wie des Unterrichtsministeriums liegen. Ich gieße Staatspreis-Arbeiten, die großen Auftragsplastiken, ja sogar fürs Bundesdenkmalamt Dekorationsteile. Zum Beispiel eben für die Hermes-VUla die Messingbeschläge für Türen, Täfelungen, Mobiliar. Und es müßte schon deshalb im Interesse der Gemeinde liegen, weil heute kaum eine Gießereiwerkstatt bereit ist, für dieses Gewerbe wirklich etwas zu tun!"

Zöttl — er ist zweiter Mann in der Innung —, schwebt da sozusagen eine Generalsanierung dieses Berufszweigs vor: Vor allem die künstlerischen Aufgaben müßten wieder in den Vordergrund treten. Er möchte am liebsten die Ausbildung der Begabtesten fördern, die Qualität der Güsse auf höchstes Niveau bringen und so allmählich alle großen europäischen Gußaufträge nach Wien ziehen: „Wir könnten die ganze Welt beliefern. In Nord- und Südamerika gibt es überhaupt keine vernünftige Gießerei. Die europäische Konkurrenz ist wohl noch vorhanden, aber das Gewerbe droht auszusterben. Die Techniken und Erfahrungen werden nur noch mündlich vom Meister auf die Schüler gebracht. Keiner hat hier mehr Lust, zu experimentieren. Dabei steigen die Ansprüche der Künstler immer höher."

Daß der technische Arbeitsgang bei der Entstehung einer Plastik eine Menge Probleme hat, ist nicht zu umgehen: „Über das seit Jahrhunderten geübte Verfahren kommen wir nicht wesentlich hinaus. Der Ablauf bleibt inuner gleich. Das Gipsmodell wird in Sand eingeformt, dann wird ein ,Positiv’ aus dem Sand herausgestampft. Davon wird eine fünf Millimeter dicke Schichte abgeschält. Genauso dick wird der Bronzeguß, der zwischen Negativ-und Positivform entsteht. Danach wird der fertige Guß gereinigt, zise-Uert, geschliffen, Teile werden vorher zusammengeschweißt. Besondere Gefahrenmomente: Wenn das Metall an einer undichten Stelle ausläuft, femer eingesperrte Luft, oder wenn ein Stückchen der Sandform abbricht …"

Dabei spielt von Anfang an das künstlerische Empfinden eine wichtige Rolle. „Auf die Form kommt schon sehr viel an, aber auch noch beim Ziselieren kann man eine Arbeit wesentlich verändem. Gerade da muß man auf die Eigmhedten jedes Bildhauers eingehen. Bei Wotruba etwa kann man einzelne ,Nähte’ stehen lassen — sie profilieren Abschnitte. Bei Ölzant muß hingegen die Form spiegelglatt sein. Und auch auf die Patina kommt es noch viel an. Aber nach zwei bis drei Plastiken eines Künstlers weiß ich meist von allein, wie man diese zu behandeln hat. Wichtig für alle diese Arbeiten ist nur Zeit. Und ich möchte endlich wieder erreichen, daß man heute mit einem großen Team in Ruhe jedes Kunstwerk solange bearbeiten kann, bis die Perfektion eben nicht mehr zu übertreffen ist!"

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