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Fast wie im Kindergarten
„Na, wie geht's denn Mut-terl?” - Gönnerhaft, vertraulich, oft wie mit kleinen Kindern gehen viele heute mit alten Menschen um, kritisiert der Autor des folgenden Beitrags.
„Na, wie geht's denn Mut-terl?” - Gönnerhaft, vertraulich, oft wie mit kleinen Kindern gehen viele heute mit alten Menschen um, kritisiert der Autor des folgenden Beitrags.
Ich bin von Haus aus kein Querulant und Besserwisser. Oft schon wollte ich aber zum Thema Altenbetreuung etwas sagen und hab es dann doch wieder gelassen; in der Hoffnung, Berufenere würden dieses Thema aufgreifen. Um was geht es?
Die herkömmliche Betreuung der Senioren setzt materielle Not sowie ein gewisses Maß an Verkalkung als etwas Selbstverständliches voraus und trägt dem, noch dazu überproportional, Rechnung.
So bekomme auch ich, da über 70, von Zeit zu Zeit wohlmeinende Zuschriften, deren Inhalt aber zum Heulen ist: Bastelstunde für unsere Alten, anschließend Gemeinschaftssingen im Bastelraum. Holzsammeln im Stadtwald; Säcke mitbringen! Wo Opa und Oma ein Tänzchen wagen. Treffen der Bierdeckel- und Ansichtskartensammler.
Oder: Gratisjause, umrahmt von Darbietungen des Knabenchors „Frohsinn”. Verbilligte Eintrittskarten gegen Ausweis im Altenwohlfahrtsamt. „Der Schaukelstuhl” - Sendung für Pensionisten.
Es liegt wohl auf der Hand, daß man in derlei „Kindergärten der Greise” nicht mehr für voll genommen wird, ja froh sein darf, dort nicht auch noch mit „Du” angesprochen zu werden.
Wenn solche Veranstaltungen, jedenfalls in der Provinz, durchwegs schlecht besucht sind, so deshalb, weil sich der Großteil der Pensionisten letztlich doch noch einen Rest an Freiheit und Menschenwürde bewahrt hat und noch nicht über den Rand der Verzweiflung hinausgetrieben ist.
Wenn der ganze Jammer von Pensionsschock und Altersvereinsamung, von „Abstellgleis” und „altem Eisen” nur lang genug suggeriert und breitgetreten wird, und wenn man immer wieder beflissen vorrechnet, was da — als Entschädigung gleichsam — nicht alles an Vergünstigungen zusteht: dann ist der so Umsorgte unter dem Ansturm der Fürsorge schließlich nicht mehr imstande, aus eigener Kraft das Schicksal zu entwaffnen.
Und schon gar nicht wird er sich — man denke etwa an ein spätes Hochschulstudium — zu einer Leistung durchringen, die noch als solche respektiert und anerkannt wird. Freilich, das bloße „Dasein” zu lernen, wäre für den Pensionisten nicht weniger sinnvoll und notwendig.
Sicher: Die Mentalität, die Lebensumstände und Probleme der älteren, der alten und der ganz alten Menschen sind vielfältig wie das Leben selbst. Und da es nun einmal schwer ist, jedem das Seine zu geben, so geben wir halt — sozial, wie wir sind — allen das gleiche.
Und ein Teil der so Betreuten mag daran auch sein Genügen finden. Denn was nicht reifte, bleibt auch im Alter unreif. Was wir nicht bewältigen, löst sich auch im Alter nicht auf.
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