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Film über Roman Scholz

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Vor vierzig Jahren wurde der Schauspieler Otto Hartmann im Grauen Haus in Wien als Denunziant zu lebenslanger Haft verurteilt. Sein Opfer war der Augustinerchorherr Roman Karl Scholz, der am 10. Mai 1944 im selben Haus unter dem Fallbeil starb. Nun wird die Geschichte von Heldenmut und Verrat in den USA verfilmt.

Wenige Tage nach dem Urteil eines Wiener Volksgerichtshofes über den bis kurz zuvor flüchtigen Burgschauspieler Otto Hartmann griff der niederösterreichische Kaplan Ignaz Kühmayer im Pfarrhaus von Berndorf am 22. Dezember 1947 zur Feder, um einen erschütternden Aufruf an das Gewissen der neugeschaffenen Republik zu richten. „Bis jetzt habe ich geschwiegen, denn Gefühle der Rache sind mir fremd“, begann er in seinem Schreiben an die Tageszeitung „Neues Österreich“, das wenige Tage später in großer Aufmachung veröffentlicht wurde. .Aber grotesk ist die Verschiedenheit der Maßstäbe, nach denen bei uns die wirklich Schuldigen und ihre Opfer behandelt werden. Ich wage zu behaupten, daß es den Kriegsverbrechern im Landesgericht im letzten Jahr besser gegangen ist als den freien Staatsbürgern im Notstandsgebiet.“

Mit dieser Anklage rührte der in der NS-Zeit als Widerstandskämpfer selbst zum Tode verurteilte Priester aber nicht nur die allerorten gegenüber Nazi-Kollaborateuren geübte Toleranz an, er brachte auch das grauenhafte Schicksal des Klosterneuburger Chorherrn Roman Scholz in Erinnerung, den Otto Hartmann dem Henker ausgeliefert hatte.

„Scholz war unter den ersten Österreichern, die Sand in die Tötungsmaschine des Dritten Reiches geworfen haben“, sagt der in New York lebende österreichische Filmregisseur Imre Läzär, der seit Jahren die dramatische Geschichte des Widerstandskämpfers im Priesterkleid erforscht. „Es ist ein Thema, das alle Elemente einer klassischen Tragödie beinhaltet: Liebe, Verschwörung, Verrat, Kühnheit und Opfertod.“

Läzär, der nach der Oktoberrevolution 1956 von Ungarn nach Österreich geflüchtet war, trat seither wiederholt mit kontrover-siellen Themen an die österreichische und amerikanische Öffentlichkeit. Seine Fümberichte für den ORF, wie „Der junge Hitler“ und „I“ brauch ka“ schöne Leich'“ (über das Sterben in Wien), erregten großes Aufsehen. Sein Buch „Der Fall Horst Wessel“ sorgte ebenfalls für Schlagzeilen. Seit er 1984 in die USA übersiedelte, produzierte er für CBS eine Reihe von kontroversiellen Dokumentarfilmen, wie etwa über das Schicksal der spanischsprechenden Amerikaner, über die Tragödie der Indianer von Guatemala und über die Einsamkeit des Altwerdens in den Betonschluchten von Manhattan.

Mit dem Scholz-Film, der anläßlich des 50. Jahrestages der Besetzung Österreichs durch Hitler-Truppen in Amerika herauskommen wird, hat sich Läzär wohl des zur Zeit heikelsten Themas der politischen Szene Österreichs angenommen: „Der Film wird allen jenen, die vergessen wollen, das Grauen der Nazibarbarei, aber auch die Zivilcourage jener jungen Menschen, die damals ihr Leben aufs Spiel setzten, vor Augen führen.“

Bei Roman Karl Scholz handelt es sich um eine jener seltenen Figuren, die in einer krisenhaften Situation plötzlich aus der namenlosen Menge emporsteigen und Geschichte machen. Gleichzeitig regt sich aber auch der gefährliche Gegenspieler — in der Gestalt des gescheiterten Burgschauspielers Otto Hartmann, der sich zuerst in das Vertrauen des Widerstandskämpfers einschleicht und ihn dann seinen Henkern ausliefert. Was an der Geschichte von Scholz an eine dramatische Episode der Heiligen Schrift erinnert, ist dessen anfängliche Verstrickung in das Gedankengut des Nationalsozialismus. „Es handelt sich bei ihm um den klassischen Fall des Saulus, der zum Paulus wird“, sagt Läzär, „während Hartmann die Judasrolle spielt.“

Neben Scholz steht eine Schar von blutjungen Christen, die sich dem leuchtenden Vorbild des rebellischen Augustinerchorherrn verschreiben und ihm schließlich in den Tod beziehungsweise ins Konzentrationslager und ins Gefängnis folgen.

Ihre Aufnahme in den Geheimbund zum Kampf für ein freies Österreich fand unter dem Kruzifix in verschiedenen Kirchen Niederösterreichs und Wiens statt, wo sie vor eingeweihten Zeugen ihr Gelübde aufs Vaterland ablegten. Zu den Aktionen, die bis ins kleinste Detail vorbereitet wurden, zählten Anschläge auf Eisenbahngeleise, Hafenanlagen und Gasometer, aber auch Flugzettelaktionen und Wandbemalungen mit Aufrufen zum Widerstand.

Als sich der Schauspieler Hartmann als Spitzel der Gruppe zugesellte, kamen auf seine Initiative auch echte Terroranschläge zur Sprache, obwohl sich Scholz selbst gegen die Gefährdung menschlichen Lebens aussprach. Die tollkühne Idee Hartmanns, das Gestapo-Hauptgebäude auf dem Morzinplatz in die Luft zu sprengen, gab später dem NS-Volksgericht den willkommenen Anlaß, über die jugendlichen Verschwörer die schwersten Strafen zu verhängen.

In seinem letzten Brief, Stunden vor der Enthauptung im Grauen Haus geschrieben, ruft Scholz der Nachwelt zu: „Ich weiß, wofür ich leide - für alles, was groß und gut und edel ist. Euer Gebet und Gedenken werden mir die Kraft geben, auch das Schwierigste im Leben zustande zu bringen: das rechte Sterben.“

Der Häscher Hartmann wurde acht Jahre nach seiner Verurteilung vom österreichischen Bundespräsidenten begnadigt und verbrachte die restlichen Jahre seines Lebens als Pensionist in einem malerischen Städtchen Oberösterreichs.

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