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Genie aus Raiding

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Am 7. April 1881 besuchte Franz Liszt sein Geburtshaus im damals ungarischen Raiding (Doborjän). Sein Freund, der Graf Geza Zichy, notierte nach dem Besuch:

„Liszt war sehr ergriffen, als er die Schwelle des Geburtshauses überschritt. In jedem Zimmer blieb er stehen und blickte ernst um sich. Nach einigen Minuten ging er in die kleine Dorfkirche und kniete lange, in tiefer An-

dacht versunken, auf den Altarstufen.“

Wenn das Burgenland in diesem Gedenkjahr Liszt ehrt und feiert, dann liegt es nahe, daß die Prägung durch die Kindheit in dieser Heimat hervorgehoben wird. In Eisenstadt, einst die Residenz der Fürsten Esterhäzy, heute immer noch kleine Residenz des Landeshauptmannes, hat man gleich zwei Ausstellungen zusammengestellt: die weltliche über „Ein Genie aus dem pannonischen Raum“ im Landesmuseum, die geistliche „Ein Leben für Musik und Glauben“ im Diözesanmu-seum, das sich im einstigen Franziskanerkloster befindet. Liszt war ja nicht ganz zufällig auf den Namen des Heiligen Franziskus getauft worden. Schon der Vater wäre beinahe Franziskaner geworden.

Die geistliche Ausstellung gibt zweierlei vor allem zu bedenken: Liszt war wirklich religiös. Das war keine Pose. Oft genug hat er mit seinen Einkünften und dem Einfluß seiner Persönlichkeit Werke der Wohltätigkeit und Nächstenliebe getan. Das andere ist die Kirchenmusik, die noch gründlicherer Erforschung und Bewertung bedarf. Dies vor allem vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts.

Liszt stand über den Richtungskämpfen der Zeit und hat oft genug auch theologische Kritik an seiner Musik zu ertragen gehabt. Statt eines Katalogs hat das Diözesanmuseum ein Faltblatt aufgelegt, das auf schmalem Raum gut ausgewählte Informationen und Zitate für jedermann enthält. Ein Stück intelligenter Volksbildung.

Ein paar hundert Meter sind es

bis zum Landesmuseum, aber die Veranstalter tun, als lägen Welten zwischen ihnen. Hier hat man sich auf die Jugendjahre beschränkt, in Raiding und Wien. Sie haben den Komponisten mehr geprägt, als bisher angenommen wurde. Das lag vor allem am Vater Adam Liszt, der in seinem einzigen Kind verwirklichen wollte, was ihm selber verwehrt geblieben war. Er hatte sein musikalisches Talent nicht wirklich entwickeln können, sondern war froh gewesen, als er in Eisenstadt eine Anstellung bekam, die ihm nebenbei das Musizieren in der fürstlichen Kapelle ermöglichte.

In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts baute Fürst Nikolaus II. Esterhäzy die Hofkapelle wieder auf, gewann den greisen Joseph Haydn zumindest nominell wieder zum Leiter und hatte jedenfalls* in Johann Nepomuk Hummel einen tüchtigen Musiker.

Adam Liszt spielte bei dieser Aufführung das Cello. Doch schon im Jahr darauf machte er — leider — Karriere. Er wurde zum fürstlichen Schäferey-Rechnungs-führer ernannt, aber nicht in Eisenstadt, sondern in Raiding. Der musikbegeisterte Mann mußte das als Vertreibung aus dem Paradies empfinden. So klein der Musenhof war — und die Napoleonischen Kriege haben sicher das Musikleben stark reduziert -, man sollte ihn nicht unterschätzen. Hummel, der ja später Liszts Vorgänger als Großherzoglicher Hofkapellmeister in Weimar wurde, verfaßte Anno 1806 ein Inventar des Musikarchivs, in dem über 500 verschiedene Kompositionen vorkommen.

Adam Liszt war besessen von dem Gedanken, ein Wunderkind großzuziehen. Er bat um Versetzung ins Wiener Esterhäzy-Pa-lais. Es gelang nicht. Er bat um Urlaube. Die fürstliche Bürokratie leistete Widerstand. Selbst wenn er wenige Tage verreisen wollte, um den Sohn irgendwo vorzustellen, mußte er sich nach den Obliegenheiten der Schäferei richten, wie Schafschur und „Hammelung“.

Endlich quittierte er den Dienst und zog mit seiner kleinen Familie nach Wien. Dort war das Leben viel teurer, und wenn auch Karl Czerny und Antonio Salieri Gra-tis-Unterricht gaben: der Vater drängte ungeduldig auf eine bal-

dige Vermarktung des jungen Genies. Der 12jährige hatte gewiß keine glückliche Kindheit hinter sich, als er mit dem Vater in die Welt zog.

Die Ausstellung im Landesmuseum ist mit Leihgaben aus Weimar, Wien und Budapest ausgestattet und überbrückt mit Geschick Lücken in der Dokumentation der Jugendzeit. Ein Streiflicht; fällt auch auf die erste Begegnung des Knaben mit der Welt der Zigeuner. Schon im Geburtsjahr (einem Kometenjahr) hatte eine Zigeunerin der Mutter aus der Hand gelesen, sie würde ein Genie zur Welt bringen. Von der Mutter erfahren wir recht wenig. Als der Vater während eines Erholungsurlaubes in Frankreich gestorben war, rief Franz die Mutter zu sich. Uber sie informiert eine eigene kleine Ausstellung in ihrer Geburtsstadt Krems.

Ausstellung im Landesmuseum bis 31. August, im Diözesanmuseum bis 28. September. Das Geburtshaus in Raiding ist als Museum eingerichtet und bis Ende Oktober zugänglich.

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