Von Ruppersthal nach Paris

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Ein Dorf kämpft um seinen Komponisten Ignaz Joseph Pleyel - der Wahl-Franzose aus Niederösterreich.

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Ein Dorf kämpft um seinen Komponisten Ignaz Joseph Pleyel - der Wahl-Franzose aus Niederösterreich.

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Salzburg ist die Mozart-Stadt, Bonn die Beethoven-Stadt, Bach gehört nach Eisenach, Telemann nach Magdeburg und Vivaldi nach Venedig. Aber diese Städte wären auch bekannt, wenn sie keinen berühmten Komponisten hervorgebracht hätten. Anders sieht es aus mit dem Dorf Rohrau, wo Haydn geboren ist und gar mit dem burgenländischen Raiding, das nichts vorzuweisen hat, als das Geburtshaus von Franz Liszt. Schwerer, sich einen internationalen Namen zu machen, hat es nur das Dorf Ruppersthal in Niederösterreich, der Geburtsort von Ignaz Joseph Pleyel. Da muss man zuerst erklären, wer Pleyel war. Die Ruppersthaler haben sich vor einigen Jahren unverzagt ans Werk gemacht. Sie waren draufgekommen, dass ihr Sohn sich zu seiner Zeit neben Joseph Haydn behaupten konnte und dass er heute nicht nur einen Grabstein auf dem Pariser Friedhof Pere Lachaise hat, sondern dass der nach ihm benannte Pariser Konzertsaal Musikgeschichte machte und die von ihm gegründete Klavierfabrik noch heute besteht, allerdings in Arles.

Wie die Esterhazys war auch die ungarische Magnatenfamilie Erdödy mäzenatisch gesinnt und spendierte dem kleinen Ignaz ein Musikstudium, das er großenteils bei Haydn absolvierte. Mit 19 brachte er schon eine Marionetten-Oper für das Schlosstheater im ungarischen Eszterhaza zustande. Da hatte er bereits ein Lob Glucks erhalten. Anschließend schickte ihn Graf Erdödy zum weiteren Studium nach Italien, 1785 wurde im Teatro San Carlo seine Oper "Ifigenia in Aulide" aufgeführt, die er für König Ferdinand VI., Maria Theresias Schwiegersohn komponiert hatte.

Kurz darauf trat er eine Stellung als Kapellmeister im Straßburger Münster an und heiratete eine Französin. Die Revolution warf ihn aus seiner Lebensplanung. Es begann ja die Zeit ideologischer Bekenntnisse und Verdächtigungen. Pleyel vertonte eine "Hymne a la Liberte" (sein Anteil an der Marseillaise ist umstritten), setzte sich aber 1792 nach London ab, wo er bald in freundschaftlichen Wettstreit mit seinem Lehrer Haydn trat. Zwar konnte er nicht Sieger sein, die für London komponierten Werke fanden aber Anklang. Es gab neue Aufträge, und Pleyels Musik drang bis in die britischen Kolonien in der Neuen Welt vor.

Er vertonte dann noch einmal in Straßburg ein pompös-schwulstiges Revolutionsstück. Kurz zuvor noch als Fürstendiener und Österreicher denunziert, erschien 1796 sein Name auf der Ehrenliste der Komponisten, die mit ihren Werken den Ruhm der Revolution verbreitet haben. Da war Pleyel schon nach Paris übersiedelt und gründete nun einen Musikverlag. Er gab zuerst die Werke seines verehrten Lehrers Joseph Haydn heraus. Bald hatte er die Idee, Taschenpartituren zu drucken - ein gutes Geschäft. 1807 wagte er sich an die Gründung der Klavierfabrik, die aber auch andere Instrumente herstellte. Offenbar hat er sich gute Fachleute zusammengesucht, die auch technische Neuerungen erdachten, sodass er mit Ach und Krach durch die wirtschaftlich schweren Zeiten der napoleonischen Kriege kam, 1824 seinem Sohn Camille ein solides Unternehmen übergeben und sich auf einen Landsitz zurückziehen konnte. "Pleyel & Co" war im 19. Jahrhundert marktführender Klavierfabrikant und ist heute der letzte französischen Hersteller. Bevor Pleyel 1831 in Paris starb, erlebte er die Eröffnung der Salle Pleyel, des heute noch berühmten Pariser Konzertsaales, und die Hochzeit seines Sohnes mit der Pianistin Felicite Denis Moke, zuvor die Verlobte von Hector Berlioz.

Zurück nach Ruppersthal im niederösterreichischen Weinviertel. Hier hat man schon 1957 den 200. Geburtstag gefeiert und nach verschiedenen Anläufen 1995 die "Internationale Ignaz Pleyel Gesellschaft" gegründet. Das kleine, halb verfallene Schulhaus, wo Vater Martin Pleyel eine einklassige Volksschule leitete, wurde restauriert und zum Museum ausgebaut, wo man auch kleine Konzerte geben kann. Etwas mehr Platz ist in der Kirche. Der Motor des Unternehmens ist Adolf Ehrentraud, seines Zeichens Leiter eines Postamtes in Wien. Er hat schon vor einigen Jahren ein biographisches Festspiel "Der vergessene Sohn unserer Heimat" verfasst, das vom Theaterverein des Dorfes mehrmals gespielt wurde. Er ist stolz auf das internationale Interesse.

Welturaufführung Aber in diesem Jahr gibt es den Paukenschlag: Die Marionettenoper "Die Fee Urgele oder Was den Damen gefällt" erlebt 225 Jahre nach ihrer Aufführung in Eszterhaza ihre "Szenische Opernbühnen-Welturaufführung", also mit Menschen statt Puppen, und zwar mit professionellen Solisten und der Ungarischen National-Philharmonie. Und das im Freien!

Einige Kilometer von Ruppersthal liegt jener kuriose "Heldenberg", den der Armee-Lieferant Pargfrieder gegründet und wo er den Feldmarschall Radetzky begraben hat. Der war nämlich so verschuldet, dass er seinen Leichnam verkaufen musste. Pargfrieder wollte natürlich noch viele andere Helden dort bestatten und nicht nur erzene Denkmäler aufstellen. Aber er blieb mit Radetzky allein. Das Volk dichtete damals: "Hier liegen zwei Helden zu ewiger Ruh. Der eine lieferte Schlachten, der andre die Schuh." Der Zusammenhang mit Pleyel ist rein räumlich. Es gibt dort eben mehr Platz für ein Singspiel, das in märchenhafter Zeit spielt und von den Machtgelüsten intelligenter Frauen handelt. Wie arm wären wir ohne die Besessenen, die mit aller Leidenschaft ein Ziel verfolgen, auch wenn sie nicht alle ihre Träume verwirklichen können! Die Welt würde sich auch drehen, wenn es keinen Heldenberg und kein Pleyel-Museum gäbe. Aber Leute wie Pargfrieder und Ehrentraud machen sie doch ein bisschen bunter.

Die Aufführungen finden am 14. und l5. Juni statt, bei Regen eine Ersatzvorstellung am l6. Juni.

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