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Es geht um die Kirche seihst

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Ein Text aus Rom schlägt Wellen. Läßt sich das Kommunionverbot für wiederverheiratete Geschiedene ausrei- chend begründen?

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Ein Text aus Rom schlägt Wellen. Läßt sich das Kommunionverbot für wiederverheiratete Geschiedene ausrei- chend begründen?

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REDAKTIONELLE GESTALTUNG: HEINER BOBERSKI

Um zum aktuellen Streit ft Stellung zu beziehen, müßte ich über die Eucharistie reden, über die I kirchliche Autorität, das Gewissen, den Gehorsam und die Freiheit. Ich müßte die« Bedeutung der Ehe und die Tragik ihres Zerbrechens in den Blick nehmen, und ich müßte die geheimnisvollen Wege der Gnade betrachten und überlegen, wie der Christ richtig mit der Eucharistie umgehen soll. Es wäre zu reden über die Frage, was man tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen — und vieles andere mehr. Aber es ist eine Situation 'eingetreten, da ist es nicht mehr sinnvoll, die ohnehin unüberschaubare Zahl der Stellungnahmen um eine weitere zu vermehren. Wichtig ist etwas anderes:

Ich habe in den letzten Stunden viele Berichte über diese Diskussion gelesen, und ich bin erschrocken wie selten in meinem Leben: Was ist geschehen, was geht vor sich, wohin treiben wir, welche Geister sind da am Werk, welcher Wind weht in der Kirche? Das ist nicht mehr eine familiäre Auseinandersetzung, sondern ein Krieg, der über den Anlaßfall der Geschiedenen - und andere „Fälle“ — weit hinausgeht. Es geht um nichts weniger als die Kirche selbst und dar-um auch um die Stellung des Papstes, dessen Autorität man radikal umdefinieren, beschneiden und aufteilen will. Wer glaubt, ich übertreibe, lese den Aufruf „Nicht mehr schweigen“, von „katholischen“ Theologen verfaßt, und, sie sind nicht allein!

Sicher, viele derer, die sich in den letzten Wochen den medial verstärkten Kirchen-Kritikern angeschlossen haben, wollen das nicht oder haben darüber noch nicht nachgedacht. Aber es wäre nicht die erste kirchliche Katastrophe, die von Menschen herbei- geführt wird, die ihre pastoralen Absichten beteuern und denen es, wie sie sagen, nur um das Evangelium geht.

Der Streit hat eine gefährliche Dimension angenommen. Während wir meinten, eine Diskussion zu führen, ist Feuer ausgebrochen und hat in ungeahnter Schnelligkeit um sich gegriffen. Wir alle müssen löschen, ehe Schlimmeres geschieht. Wenn die erste Gefahr gebannt ist, sollten wir zunächst einmal darüber reden, wie es geschehen konnte, daß wir absurderweise über das Zeichen der Liebe in Streit geraten sind. Versammelt „im heiligen Geist“, um den Papst und die Bischöfe geschart, werden wir wahrscheinlich nicht mehr verstehen, wie wir über die Geschiedenen so streiten konnten, daß unser Streit fast zur Scheidung geworden wäre.

Der Autor ist

Professor für Moraltheologie in Heiligenkreuz bei Wien und Oblate des heiligen Franz von Sales.

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