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Goldhehne & Engelsflügel

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Großäugig blicken die Jungfrauen von der Rückwand des „ Tempietto longobardo" , der „Langobardischen Kapelle" von Cividale del Friuli. D????r „ Tempietto" - die Kirche „Santa Maria in Valle" - im 8,/9. Jahrhundert n. Ch. erbaut, ist einer der am vollständigsten erhaltenen Kirchenräume dieser Epoche, der nach sorgfältiger Restaurierung die von östlich-byzantinischen und westlich-romanischen Formen beeinflußte Kunst der Langobarden zeigt. Liebevoll gefältelte Gewänder llmspielen die starren Körper der Wandplastiken, prächtige Bordüren schmücken die Kleidersäume.

Ranken aus Weintrauben und Weinlaub, Blatt- und Blütenmotive zieren Gewölbebogen, Fensterwölbungen, Kapitelle. W????e in Stein oder Marmor geflochten wirkt das Bandwerk an Torwölbungen und Blenden.

Ursprünglich in Germanien an der Elbe ansässig zogen die Langobarden („Langbärte") Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. nach Süden, besetzten die Tiefebene zwischen Theiß und Donau, siedelten in Pannonien und brachen 568 unter Alboin in das unter oströmischer Herrschaft stehende Italien ein. Im ehemaligen „Forum ' Iulii", eben Cividale in der Nähe von Udine, gründeten sie die Hauptstadt ihres ersten Herzogtums auf italienischem Boden. Über die nach ihnen benannte Lombardei dehnten sie ihr Reich bald bis nach Süditalien aus, mit den unabhängigen Herzogtümern Spoleto und Benevent.

Als erster Germanenstamm gliederten sie sich nicht der römischen Reichsordnung ein und zeichneten auch ihr eigenes langobardisches Recht in lateinischer Sprache auf. Unter Agilulf - er starb 6 1 6 - traten die ursprünglich.arianisChen Lan„. gobatden zum Katholizismus über, um die Mitte des 8. Jahrhunderts bedrohte Aistulf Rom und den Kirchenstaat.

774 von Karl dem Großen besiegt

kam das langobardische Reich unter fränkische Herrschaft, Otto der Große verband die langobardische (italische) Krone mit der deutschen. Mit der Herrschaft der Normannen im 1 1 . Jahrhundert ging ihr Reich endgültig zugrunde.

Ihrer politischen Bedeutung entsprechend prägten sie auch Kultur und Zivilisation Italiens. Die durch Funde und Grabungen ans Tageslicht beförderten Schätze sind nun bis 30. September in Cividale del Friuli (Palazzo dei Provveditori) und in Codroipo (Villa Manin), beides nahe Udine, zu sehen.

In Cividale sind im nach Plänen von Antonio Palladio erbauten und nun· vorzüglich restaurierten Palazzo vor allem Funde aus Grabstätten in und um Cividale zu sehen, weiters Objekte aus Mähren, Ungarn1 Jugoslawien, aus der langobardischen

Frühzeit also. Metallfibeln mit kunstvoller Ornamentik · od????r ·bunter Emailverzierung, Knöpfe aus Horn oder Bronze mit stilisierten Tierdarstellungen - an Bajuwarisches erinnernd -, Ketten aus Glas- oder Keramikkügelchen, modern anmutend in Farb- · und Musterkombination, Amulette aus Per1mutteroder Schneckenhäusern wurden den Frauen mit ins Grab gegeben.

Speere, Lanzen, Schwerter, ornamental verzierte Schilde, Messer, Pferdezaumzeug wiesen den Rang der begrabenen Männer aus.

Der einfache Stein-Sarkophag des Gisulf erinnert mit seinem dachartigen Deckel an die Särge der Etrusker, sein Goldkreuz· mit eingelegten Lapislazulis und acht ins Goldblech geprägten Köpfen ist noch kein christliches Symbol, son-

dem das seines Ranges als Herzog. Der Deckel eines Evangeliars, die „Pace del Duca Orso", besteht aus einer in Elfenbein geschnittenen Kreuzigungsdarstellung, über deren in feingeschnittene Gewänder gehüllten Personen Sonne und Mond personifiziert in Scheiben thronen. Üppiges Elfenbein-Rankenwerk umgibt die Darstellung, ein Rahmen mit in Silber getriebenem Blütendekor, von Edelsteinen unterbroch????n, ist die kostbare Fassung.

Unter die frühe Abschrift eines Markus-Evangeliums aus dem 5./6. J alirhundert haben „Helmker" , „Anzo", „Purchart" und andere bereits Christianisierte ihre Namen gesetzt.

In der Villa Manin - sie liegt inmitten einer großzügig gestalteten Parklandschaft -sind vor allem Funde aus Italien - aber auch solche aus Poysdorf, Brunn/Gebirge oder Mödling ( ! ) - zu sehen. Kostbar verziert und wie im Querflug erheben sich Engel über Christus, dem Weltenherrscher, auf der Front des Altares von Ratchis. Mit Edelsteinen verziert ist die Goldkrone der Theodelinde oder Agilulfs Goldkreuz. Auf der in Gold getriebenen Front eines Helmes aus Valdinievole bringen von rechts und links herbeieilende Ritter dem in der Mitte thronenden Herrscher Geschenke dar.

Vollendet ausgeführt ist eine Silberschale (aus dem Schatz von Isola Rizza), auf der ein dahersprengender Langobardenri tter seinen Feind mit der Lanze tötet - während ein zweiter Feind bereits tot am Boden liegt. Kodices, Münzfunde, Grabplatten, Votivgegenstände, Architekturfotos, kartographisches Material . machen a·nschaulic;b.. und zeigen die Verschmelzung der Langobarden mit der ansässigen romanischen Bevölkerung.

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