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Graz, Linz und was weiter?

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Das Ende Jänner in Linz stattgefundene „österreidiisdie Kulturgespräcfi 1971” hat in der österreichischen Presse geteilte Aufnahme gefunden. Das dabei vielfach zitierte Unbehagen, der „Katzenjammer” und die „Resi-gnation”, begann schon am Abend des ersten Tages zu wirken, als die rund 170 Teilnehmer, darunter viele bekannte Künstler und Kunstmanager, Schriftsteller, Professoren und Theaterdirektoren, arrivierte und zornige junge Männer — wobei es heute nicht auf diese letztere Unterscheidung ankommt, denn manche sind arriviert und trotzdem oder erst recht zornig —, auf die Ergebnisse ihrer Beratungen zurückblicken wollten. Aufzählbare Ergebnisse waren nämlich kaum mehr da. Die Redaktionskomitees der sechs Arbeitskreise hatten die praktischen Vorschläge von den Urmoäg-barkeiten und unfrisierten Gedanken getrennt und letztere natürlich außer acht gelassen. Das verursachte aber eine Verarmung in der Substanz. Und der Rest, nämlich die nunmehr in Punkte gefaßten Forderungen, weckte die Erinnerung an ähnliche, unerfüllt gebliebene Forderungen des österreichischen Kulturgesprächs 1970. Damals, genau vor einem Jahr, v>aren es zum Teil diesel-

ben Künstler und Kulturfunktionäre, nur etwas weniger an der Zahl, die ihre Wünsche an Staat und Gesellschaft erstmals laut verkündeten und in schriftlicher Form dem damaligen Unterrichtsminister übergaben. Es war Wahlzeit, und der Minister zeigte sich hörbereit. Aber an den Chefs des Unterrichtsressorts lag es auch in früheren Jahren kaum oder nur zum geringeren Teil, wenn zwischen musealer Kunst und Kultur und lebendiger Kunst und Kunstpolitik in manchem Bereich große Mißverhältnisse zu beklagen waren. Minister Mock jedenfalls versprach weitgehende Beachtung der Vorschläge. Dann kam der Regierungswechsel, und es verging einige Zeit, bis die Initiatoren des österreichischen Kulturgesprächs, vor allem Prof. Dr. WiUried Scheib vom ORF, zu dem neuen Minister Zugang fanden. Nun schien alles bestens. In Linz aber ließ sich der Minister vertreten. Ein wichtiger Adressat fehlte also. Wenn es trotzdem nur ein „Geschwätz” gewesen sein sollte, wie es Axel Corti in der Schlußdiskussion nicht ohne eine gewisse Koketterie nannte, dann waren daran zum Teil die Veranstalter, ein wenig aber auch die Teilnehmer selber schuld.

Die Veranstalter, weü das Generalthema „Kunstkonsum in der Konsumgesellschaft” trotz des klugen Einleitungsvortrages des Wiener Ordinorius für Soziologie, Prof. Dr. Leopold Rosen-mayr, als Diskv.ssionsgrundlage völlig ungeeignet war. Man ließ es auch beiseile und sproch, unvorbereitet, über dies und das: jeder vor allem über seine nächstliegenden Sorgen und Beschwer, den. Eine Verständigung war nur gelegentlich möglich. Die Architekten setzten sich am meisten abseits und protestierten gegen eine „gesellschaftliche Struktur”, die Mißstände wie die beklagten fördert — der Protest richtete sich incKrekt gegen anwesende arrivierte Kollegen der benachbarten Fakultät. — Wenig konkret und etwas kleinlaut waren die Appelle an die Eigeninttiatif e. Zum Beispiel hätte man an die österreichischen Verleger einige deutliche Worte richten müssen: wo bleiben gezielte Aktionen für neue Autoren u. a. m.? Das Land Tirol hat bereits zum nächsten Kulturgespräch für Ende Jänner 1972 nach Innsbruck eingeladen. — Dieses freie, vom österreichischen Akademikerbund nicht überorganisierte oder gar politisch manipulierte Gespräch zwischen Künstlern und Politikern, Künstlern und Bürgern, wird also eine erstaunliche „österreichische” Einrichtung werden, die anderswo inelleicht perfekter, brillanter wäre, möglicherweise aber überhaupt nicht gelingen könnte. Man sollte es fortsetzen — und vielleicht etwas besser machen.

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