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Herausforderung am Strom

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Weit über tausend Zuschauer, Fußgänger, Kunstwanderer, bis zum Horizont verteilt auf dem kurzgeschorenen Rasen des Linzer Donauparks, der sich ganz sacht zum Strom absenkt; dahinter stadteinwärts das Brucknerhaus, in dessen Glas- Foyer sich ein geradezu unwirklicher, tiefblauer Frühherbsthimmel spiegelt, und im Grün auf Sichtweite verteilt zwölf große bis riesige Metallobjekte, die abzugehen und zu betrachten seine gute Weile ęrfordert: So sahen die Eröffnungsredner die Szene vor sich, als sie am 12. September das für zwei Jahre anberaumte, seit eineinhalb Jahren vorbereitete „Forum Metall“ als Österreichs bisher imposanteste Freilichtschau zeitgenössischer Metallplastik internationaler Konvenienz seiner Bestimmung übergaben.

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Weit über tausend Zuschauer, Fußgänger, Kunstwanderer, bis zum Horizont verteilt auf dem kurzgeschorenen Rasen des Linzer Donauparks, der sich ganz sacht zum Strom absenkt; dahinter stadteinwärts das Brucknerhaus, in dessen Glas- Foyer sich ein geradezu unwirklicher, tiefblauer Frühherbsthimmel spiegelt, und im Grün auf Sichtweite verteilt zwölf große bis riesige Metallobjekte, die abzugehen und zu betrachten seine gute Weile ęrfordert: So sahen die Eröffnungsredner die Szene vor sich, als sie am 12. September das für zwei Jahre anberaumte, seit eineinhalb Jahren vorbereitete „Forum Metall“ als Österreichs bisher imposanteste Freilichtschau zeitgenössischer Metallplastik internationaler Konvenienz seiner Bestimmung übergaben.

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So traumhaft leicht sich dieses äußere Bild den Menschen einprägte - mit Freibier, Würsteln und Jazzgruppe -, so schwer zugänglich und esoterisch in gutem, erzieherischem Sinn bleibt nach wie vor die Struktur, der Kern der kreativen Botschaft.

Eine Aktion des Deutschen Günther Uecker kann dies gut versinnbildlichen: Er ließ in unmittelbarer Nähe seines „Tisches der Austreibung“ von zwei weißmähnigen, oft scheuend sich aufbäumenden Haflinger-Pferden an der Hand eines in Landestracht gekleideten Unbekannten einen Erzbrocken an einer Kette quer durch den Rasen stromaufwärts schleifen. Es schien wie eine Anspielung auf Kräfte, die diese Landschaft von alther prägten: Erztransporte, Schiffszüge, Treidelwege, zuletzt aber wohl ein Gleichnis von der Schwierigkeit, neue und aggressive Kunst aus der Inside ihrer Hersteller und Galeristen in das gesamtstädtische Bewußtsein notfalls zu schleifen…

Uecker kann seine Arbeit auch als eigenwilliger Bühnenbüdner nicht verleugnen, sein „Tisch“ ist eine drohende, erdbraun oxydierte Stahlarchitektur, sechs Meter hoch und fünf Me-

ter im Quadrat. Von der Unterseite ihres „Daches“ starren spitze Falltor- Pfahle und vollenden das Gleichnis vom Menschen, der Schutz sucht von Kindheit an, um im Schutz der Gemeinschaft schließlich den Preis seiner freien Existenz zu zahlen.

In den meisten Arbeiten bereits international anerkannter Größen herrschte kühle Gedanklichkeit, mitunter Bizarrerie von Einfällen vor, so bei Klaus Rinke, der zwei in Schächte eingesenkte Pendel vom Donauufer aus in Richtung Erdmitte weisen läßt; oder bei David Rabinowitch, der schlicht eine Ellipse aus zehn ungleichen Teilen horizontal zusammenpuzzelt; oder auch bei Donald Judd, dem Schöpfer von „four boxes“ in Minimal Art (Das Objekt-Ensemble ist zur Zeit beim Überholen, weil ein Kran darauf stürzte).

Von dieser eher mathematisch-trok- kenen Gedanklichkeit fort führt die zweiblättrige Metall-Stele des Frarizo- sen Piotr Kowalski, deren Enden, aufgrund ihrer verschiedenen Legierungsart, sich in Hitze und Kälte gegenteilig bewegen. Man kann Erwin Heerichs Alu-Plastik einer geometrischen Durchdringung von Quader und Zylinder gleichfalls in ihrer konkreten Eindeutigkeit hier anschließen.

Die Brücke hinüber zur Assoziationswelt des Brucknerhauses schlägt die aus 17 Chromnickelstahlröhren bestehende „orgelartige“ Brunnenskulptur des aus dem Hausruck gebürtigen Wahlamerikaners Herbert Bayer und die „Hommage ä Anton Bruckner“ von Eduardo Paolozzi, ein bereits feuerrot getöntes Gußeisenrelief des Italo-Briten, das, aus Gluten gehärtet, in der Partitur erstarrt, den Produktionsvorgang einer Symphonie zu wiederholen scheint.

Extrem gegensätzlich zeigen sich die bisherigen Schweizer Beiträge: Unterspielend die „Pavillonskulptur“ kubisch geordneter Holz- und Metallelemente von Max Bül, dafür überschwänglich, dem gallischen Riesen Gargantua ähnlich, Bernhard Lugin- bühls „Linzer Donau-Atlas“, eine Collagen-Symphonie aus Schrott-Trümmern der VÖST-Halden, Wrackteüen eines Schiffes, über dessen Rückgrat mitunter eine relaisgesteuerte 1,8 Meter hohe Chromnickelkugel hin- und herläuft.

Es war Erwin Reiter, heute Meisterklassenleiter an der Linzer Kunst-

hochschule, der schon vor Jahren die Idee eines „Donau-Ufer-Museums“ zeitgenössischer Freilichtplastiken vertrat. Er lieferte mit seiner zeitlos barocken Chromnickelstahl-Plastik- „Strömung“ die kongeniale Aussage zum Ort und zur Landschaft.

Das gleichermaßen von Begeisterung wie von Achselzucken und Ab lehnung zur Kenntnis genommene Feldzeichen sowohl für die junge Linzer „Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung“ als auch für das „Forum Metall“ schuf die Architekten- und Designergruppe Hąus- Rucker-Co. Dieser „Genius“ ragt, selber acht Meter hoch, auf ähnlich hohem „Steven“ aus nacktem Stahlgerüst, in Form einer zweiflächig-zwei- dimensionalen „Nike von Samothra- ke“ photogetreu reproduziert über dem Linzer Hauptplatz-Eingang empor.

Erfreulich an diesem ’ „Forum Metall“ war bisher eine bewundernswerte Organisation, die zum Großteü auf den Schultern des neuen Kunst-

hochschulrektors Prof. Helmuth Gsöllpointner und des Leiters der Neuen Galerie der Stadt Linz, Peter Baum, lag. Als gutes Beispiel wirkt jedoch genauso das Mäzenatentum der gesamten heimischen metallverarbeitenden Industrie, in deren Werkshallen die Künstler ihre Entwürfe von der ersten Werkskizze weg ausarbeiten ließen. Die namhaften Subventionsgeber gehen ins gute Dutzend. Vorneweg die Stadt Linz, die vom Gesamtbudget mit annähernd sechs Millionen Schüling (bis Ende 1978) etwa ein Viertel trägt und die Plastiken von Reiter und Bayer über ihre Betriebe ESG und SBL als Auftragswerke voll finanziert hat.

Zwei Jahre Zeit also zur künstlerischen Anregung für Linz und die Linzer. Das Gros der Arbeiten wird wohl als Dauerleihgaben Heimatrecht erlangen. Ob Günther Ueckers Pferde den rauhen Erzbrocken des Verständnisses je bis ins Herz der Stadt ziehen werden?

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