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Herausforderung in Alpbach
Mit dem auf die Vielfalt derRefe- rate bezogenen Urteil, weniger wäre gleichzeitig mehr gewesen, würde man dem diesjährigen Forum Alpbach sicherlich nicht gerecht werden. Hervorragende Kapazitäten aus aller Welt waren ganz im Sinne der Gründer der unmittelbar nach Kriegsende entstandenen Hochschulwochen in das tirolische Alpbach gekommen, um neueste Entwicklungen und Strömungen, in Politik, Kultur, Wirtschaft, im Religiös-Sittlichen, in der Forschung und in anderen Bereichen des menschlichen Daseins darzustellen. Viele waren gekommen, zu sagen, was sie sich dachten.
Aber vergleichsweise wenige waren erschienen, zu hören, was jene sagten. Und zu verstehen, was sie meinten.
Dieses Eindrucks konnte man sich leider gerade beim international hochgepriesenen Wirtschaftsgespräch nicht erwehren, das den Titel „Wirtschaft zwischen Staatsmacht und Sozialoffensive“ trug. Das rhe-
torische Scheingefecht zwischen Anhängern der Marktwirtschaft und solchen der Planwirtschaft ließ keinen Zweifel daran, daß die von den Vorfahren übernommenen Argumentationsmuster noch immer hoch im Kurs stehen. Faszination der alten Waffen: Munter zeichneten manche das System der Marktwirtschaft als das der Ausbeuter, die auf dem Rücken der Ausgebeuteten ihr Gerangel um die Profite austragen; ohne zuzugeben oder überhaupt zu sehen, daß das marktwirtschaftliche System, von dem sie sprachen, durch bedeutende soziale Komponenten in jedem westlichen Land längst zu einer sozialen Marktwirtschaft geworden war, bei der das Wörtchen „sozial“ mit Fug und Recht auch groß geschrieben werden kann.
Freilich geht es auch nicht an, bei jeder Wortmeldung, die Planwirtschaft nur in irgendeiner Form positiv erwähnt, gleich mit dem Finger nach dem Osten zu zeigen.
Einen unerwartet frischen Farb- tupfen brachte zum Abschluß noch Justizminister Christian Broda in die Alpbacher Debatten, ln seinem Referat „Pressefreiheit-Schutz und Bedrohung der Menschenwürde“ zog er, so könnte man vereinfachend sagen, gegen die Journalisten vom Leder. Weniger vereinfachend müßte man sagen, daß Broda in manchen - sehr wesentlichen Punkten seines Vortrages vermutlich recht gehabt hat: Er wandte sich gegen die undifferenzierte spektakuläre Aufmachung von Kriminalreportagen in so ziemlich allen Medien. Er sprach von Journalisten, die durch das Auswälzen der Sexualdelikte und Raubüberfälle, oft begleitet von Unfähigkeitszeugnissen für die Exekutive und dem Ruf nach der Todesstrafe, weniger der Verbrechensaufklärung in die Hände arbeiten als einer weiteren Brutalisierung rund Abstumpfung gegenüber Gewalttaten. Titel wie „Wien - eine Stadt lebt in Angst“ oder „In den Zügen fährt die Bombenangst mit“ sprechen eine deutliche Sprache.
Auf die aus kommerziellen Gründen vorsätzlich beabsichtigte Wirkung auf die Leser kommt es nach Brodas Meinung an. Wie recht er doch hat! Die Welt der Kino-Anzeigen mit ihren Idolen und Anti-Idolen von James Bond über den Weißen Hai bis hin zu Hitler ist doch der Welt der Kriminalreportagen in Österreichs Gazetten gar nicht so fern. Sicherlich kann man über Brodas Strafrechtspolitik auch geteilter Meinung sein, sie „dranzunehmen“ wird noch Gelegenheit sein. Als Journalist vor seinen Worten aber die Ohren zu verschließen, wäre bequem. Brodas Herausforderung sollte angenommen werden, wenn er in Alpbach sagt: „Diese Art der Medienberichterstattung über Gewalt und Brutalität ist menschenunwürdig.“
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