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Heute Priester werden?

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Am vergangenen Sonntag beging die katholische Kirche den Tag der geistlichen Berufe. Es ging um Ordensberufe von Männern und Frauen, auch um Priesterberufe. Die Grundstimung war eher gedrückt: Die Zahl der Priester sinkt, die der Priesteramtskandidaten geht weiter zurück. Man rief zu Gebet auf und mancherlei Werbung. Nur kann man für den Priesterberuf nicht einfach werben wie für einen Job. Es braucht dazu ein werbendes Umfeld und Menschen, die überzeugend Mut zum Priesterwerden machen.

Das Umfeld erscheint zunächst abwerbend. In der Gesellschaft gilt der Priester längst nicht mehr so viel wie früher. Und wo man ihn schätzt, überfordert man ihn fast: Man erwartet nicht nur Sakramente, gute Predigt, Katechese, sondern er sollte in den so komplexen Fragen der Zeit zu Hause sein und den Menschen in ihrer mannigfaltigen seelischen Bedrohtheit und Zerrissenheit beistehen. Er soll zu aktuellen Fragen Stellung nehmen, aber gefälligst so, wie es gerade jeder nach eigenem Kirchenbild erwartet. Er soll die Moral heben, aber doch nicht zu konkret werden. Sein eheloses Leben wird vielfach nicht verstanden und ihm daher oft nicht als Zeugnis abgenommen.

Bleibt das „Umfeld" Kirche selbst. Da werden bisweilen Priesterbilder gegeneinander ausgespielt. Manche fürchten, zu viele Rechte der Laien würden des Priesters Identität bedrohen. Nachkonziliare Entwicklungen werden unterschiedlich gewertet: da konsequent weiterentfaltet, anderswo deutlich gebremst. Mit der Ernennung eines neuen Amtsträgers kann sich der „Kirchenkurs" erheblich ändern.

In solchem Umfeld beten zwar viele um mehr Priester, aber sogar „gut katholische" Eltern wollen nicht, daß gerade ihr Sohn einer wird. Enttäuschte, mißmutig gewordene Priester werben nicht, sondern schrecken eher ab. Mancher beginnt das Studium, läßt sich dann aber nicht weihen, weil er unsicher ist, für welche „Richtung" in der Kirche er vor der Weihe den Gehorsam verspricht.

Einzelne Priester meinen sogar, unter solchen Umständen wäre es bedenklich, einem jungen Menschen zu raten, Priester zu werden. Das halte ich für falsch. Ich würde es ihm aus voller Überzeugung raten.

Allerdings nur einem mit reifer Persönlichkeit und gesunder Menschlichkeit, der lebensfroh, kontaktfähig und wahrhaft „menschenfreundlich" ist. Der sich von den Problemen der Zeit und der Kirche, also vom „Umfeld" nicht erschrecken, sondern herausfordern läßt. Der die Kirche in ihrem Innersten so liebt, daß er auch ihre äußeren „Runzeln" ertragen kann. Dessen Glaube und Zuversicht aus einer tiefen Christusverbundenheit kommt. Der Mut zum Neuen und Geduld und Kraft zum Durchhalten hat.

Solche trau ich mich zu werben. Andere nicht.

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