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Johanna kehrte wieder

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Es darf als eine Großtat des Linzer Landestheaters angesehen werden, daß es eine geradezu ausgezeichnete Aufführung von Honeggers szenischem Oratorium „Johanna auf dem Scheiterhaufen“ — nach der Dichtung des bedeutenden französischen Lyrikers und Dramatikers Paul Claudel — herausbrachte, in erster Linie ein Verdienst des Opernchefs Peter Lacovich, der in seiner fünfjährigen Linzer Tätigkeit einen höchst anerkennenswerten Aufbau des Orchesters und des Ensembles erreichte. Zwei Strauss- und Verdi-Zyklen sowie profilierteste Aufführungen von Opern Bartöks, Bergs und Janäceks sprechen für die vorzüglichen Leistungen des Dirigenten, zu denen sich jetzt die Honegger-Premiere hinzugesellte. Es gelingt Lacovioh, in einem Werk, das Gregorianische Chöre, mittelalterliche Volks- und Tanzweisen, einfache harmonische Gliederung neben raffiniert polytonalen Klangschichtunigen, rhythmische Varianten von alten Ligaturen bis zu foxtrottartigen Abspaltungen, Gegenüberstellung explosiver Orchestermassierungen und kammermusikalischer Instrumentierung mit elektronischer Klangwellennutzung zu einem eigenpersönlichen Stil vereinigt, durch gründliche Einstudierung und sorgfältige Einfühlung in dieses Musikmysterium Bühne und Orchester bestens aufeinander abzustimmen, ohne die Sprecher, Sänger, Chöre, Pantomimen und Tänzer in dem ihnen zuzubilligenden Maß von Freiheit einzuschränken.

Die geschickte, interessante Momente aufweisende Inszenierung Alfred Stögmüllers in der Ausstattung Heinz Köttels vollzieht sich innerhalb eines rings um die Bühne sieh hinziehenden galerieartigen Aufbaus, von dem aus das spektakelbegeisterte Volk die Geschehnisse kommentiert und so an dem Spiel teilnimmt. Nur die Lösung der Ver-brennungsszehe ist, zwischen Symbolik und Realistik schwankend, nicht glücklich zu nennen, hier versagt die auf sich allein gestellte Lichtregie, auch wären zu starke Chormassierungen auf der beengten Spielfläche zu vermeiden gewesen. Für eine gute Choreinstudierung sorgte Johannes Wetzler. Als Johanna bewährte sich Susanne Ruppik als eine ausgezeichnete Sprecherin, die Auffassung ihrer Rolle ist ganz auf das Mädchen-, noch mehr auf das visionär Kindhafte ihrer sie überzeugenden inneren Stimmen ausgerichtet. Michael Pawlik als Pater Dominik ließ in der Verlesung des Lebensbuches Johannas mitfühlende Wärme mit der „ketzerischen“ Befreierin Frankreichs verspüren. Gut herausgearbeitet ist die Szene der fürstlichen Kartenspieler unter Teilnahme der Majestäten des Todes, des Geizes und der Wollust; prachtvoll die Kostüme der Herzoge und Fürsten sowie der Tänzer, treffend die Masken der zu Richtern Johannas bestimmten Tiere. Von den Sängern sind William Ingle mit seinem klangvollen Tenor als Porcus, Leo Selenko als Esel hervorzuheben, eine stimmlich gute Besetzung boten Kurt Rydl und Leonhard Päckl als Herolde. Die übrigen zahlreichen Mitwirkenden müssen sich mit einem Pauschallob begnügen. Man erlebte einen Premierenabend, dessen hohe künstlerichse Bedeutung von einem Großteil des Publikums anscheinend richtig und beifallsfreudig erfaßt wurde.

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