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Kein lustiger April
Der erste April war in diesem Jahr nichts wert. Von prima aprilis keine Rede. Niemand hat mit mir Schabernack getrieben, ausgenommen eine Möbelfirma, die meinem Sohn eine Matratze liefern sollte und brachte mit vier Monaten Verspätung eine ganz andere als bestellt; dann noch das Wetter, das am letzten März ein bißchen Sonne zeigte und zog sich dann sofort zurück. Als sehr lustig kann man diese beiden Witze nicht bezeichnen, der zweite ist dazu noch so alt wieder Heilige Petrus.
Ich hätte mir natürlich selbst irgendeine Mystifikation ausdenken können, ich habe das früher öfters zum ersten April gemacht. Man könnte zum Beispiel eine falsche Nachricht in die Welt schicken: „Die Afghanen verlassen die Sowjetunion!”.
Pardon, das war eine Freudsche Verkehrung und keine falsche Nachricht -denn viele Afghanen verlassen tatsächlich ihre zur sowjetischen Provinz gewordene Heimat - und alle möchten sich zusammen mit ihrem Land von der Sowjetunion trennen. Ich wollte natürlich ganz was anderes schreiben: „Die Sowjets verlassen Afghanistan”. Wahrscheinlich klingende Begründungen gäbe es genug: Viele russische Soldaten vertragen das Hammelfleisch nicht, zumal sie Fleisch überhaupt nicht allzu sehr gewöhnt sind; das Klima ist im Afghanistan rauh, die Berge und Frauen unzugänglich, die Bevölkerung undiszipliniert, so daß sich Freundschaft-Manifestationen schlecht organisieren lassen ...
Man könnte bei dieser Gelegenheit andeuten, daß sich die Russen auch aus der Tschechoslowakei zurückziehen, obwohl sie sich an die böhmischen Knödel schon gewöhnen konnten; sie tun es nur so, aus Heimweh ...
Daß die Sowjets die DDR verlassen, kann man nicht einmal am ersten April schreiben, jeder weiß, daß der Honek-ker es ihnen nicht erlauben würde.
Man könnte sich noch allerlei ausdenken, nur ist es alles irgendwie nicht lustig. Und dann: Eine so idiotische Mystifikation, daß die Sowjets etwas freiwillig zurückgeben, was sie geraubt haben, wird doch mir keiner abnehmen -ich bin ja kein Staatsmann. Als einfacher Bürger schämt man sich einfach, -ob April oder nicht April - so dumm zu reden - da könnte man doch gleich behaupten, daß die Kreml-Herren Sozialisten, Christen beziehungsweise Menschenrechtler seien, oder daß ein jungfräulicher vierzehnjähriger Knabe gesunde Zwillinge geboren hat.
Am besten analysierte die Lage jener Rabbi, den man fragte, ob es eine Möglichkeit gäbe, daß die Sowjets aus der Tschechoslowakei (Ungarn, Polen, Afghanistan usw.) wegziehen. „Ja”, sagte der Rabbi, „es gibt zwei Möglichkeiten - eine natürliche und ein Wunder. Würde der Erzengel Gabriel kommen und sie mit dem flammenden Schwert vertreiben - dies wäre die natürliche Möglichkeit. Sollten sie von allein weggehen -das wäre ein Wunder.”
Ich hätte mir natürlich zum ersten April noch andere absurde Nachrichten ausdenken können. Zum Beispiel, daß den westlichen Staatsmännern elektronische Apparate ins Hirn eingebaut worden sind, die sie befähigen, in große-
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