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Keine Ruhekissen

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Es war ein „historisches" Ereignis, ein kleines, wenn man davon absieht, daß aus dem Figaro-Saal des Österreich-Hauses in Wien wegen Uberfüllung in die anderen Säle übertragen werden mußte. Doch ein großes, wenn man bedenkt, daß zum ersten Mal ein Spitzenrepräsentant der österreichischen Sozialdemokraten, Nationalrats- und Gewerkschafts-bundpräsident Anton Benya, an einer Veranstaltung des Cartell-verbandes teilnahm.

Auf Initiative des Fernsehintendanten Ernst Wolfram Marboe diskutierte er als Gast der CV-Verbindung „Danubia" mit Alt-Vizekanzler Hermann Withalm, Wissenschaftsminister Heinz Fischer und dem Abgeordneten zum Nationalrat Josef Taus über das österreichische Schicksalsjahr 1934.

Marboe moderierte „in Couleur", wozu in seiner neuen Position vielleicht noch um eine Spur mehr Mut gehört als bisher. Er ließ die gesamte zweieinhalbstündige Diskussion für Archivzwecke aufzeichnen und einen Zusammenschnitt am 22. Juli — leider erst zu später Stunde — im zweiten Fernsehkanal ausstrahlen.

Bemerkenswert war die weise Distanz von Emotionen, die der „Pragmatiker" Anton Benya verspüren ließ; nicht minder bemerkenswert die gründliche historische Propagation jedes seiner Diskussionsbeiträge durch Hermann Withalm. Was er da über das Koalitionsangebot Ignaz Sei-pels an Otto Bauer vom 19. Juni 1931 sagte, gehört in jedes österreichische Geschichtsbuch.

Heinz Fischer hatte es in diesem Punkt nicht leicht, historisch hieb- und stichfest zu argumentieren, nur nicht mit einem Fuß ins ideologische Fahrwasser abzugleiten. Josef Taus appellierte an Wachsamkeit und forderte die stete Erneuerung des nationalen Grundkonsenses von 1945.

Taus hat recht: Dieser Grundkonsens ist kein sanftes Ruhekissen, auf dem das politische Gewissen Österreichs im Dauerschlaf versinken kann. Vor dem Hintergrund des Taus-Appells gewannen die Erlösungsworte der beiden großen alten Männer an Gewicht und Uberzeugungskraft. Leider wuchert da und dort noch immer die Emotionalisierung.

Nur zwei Beispiele: Ausstellungstechnische Tricks in der großen „Kälteschau" im Februar in der Wiener Koppreiter-Remise. Da konnte einem stellenweise richtig kalt werden. Und jetzt im Juli das propagandistisch ausgewertete Gedenken an ein so tragisches Schicksal wie das des jungen Österreichers Josef Gerl — steckt da nicht die Absicht dahinter, die Versöhnung nicht allzu warm werden zu lassen?

General Bor-Komorowskis größte Sorge in diesen Augusttagen galt dem Nachschub: Bereits nach fünf Tagen Kampf mußte man mit Munition und Medikamenten sparen. General Bor-Komorowski ersuchte deshalb London um Munitions- und Waffen-Hilfe. Bis zum 11. August erschienen lediglich fünf britische Flugzeuge mit Nachschub über Warschau. Es war für sie ein waghalsiges Unternehmen. Denn die Piloten mußten ihre Maschinen aus Süditalien über Feindesgebiet nach Warschau bringen und auf derselben Route zurückfliegen.

Während Warschau in Flammen stand, begann zwischen London und Moskau ein dramatisches und im Gründe unwürdiges Spiel. Winston Churchill selbst wandte sich an Stalin und bat seinen Kriegspartner, den Polen in Warschau zu Hilfe zu kommen. Außerdem ersuchte er ihn, der Landung von britischen und amerikanischen Flugzeugen auf Flugplätzen hinter der nahen sowjetischen Front zuzustimmen, um ein „Pendel-Service" für die Aufständischen in Warschau zu ermöglichen.

Stalin jedoch lehnte beides ab. Denn er wollte offensichtlich verhindern, daß dem von ihm eingesetzten Lubliner Komitee eine national-polnische Konkurrenz erwuchs. Darum ließ er auch den Warschauer Aufstand verbluten.

Am 19. August griffen die Kämpfe auf die Warschauer Altstadt über. Drei Tage lang verteidigte sich die AK und verlor Hunderte ihrer Kämpfer. Ganze Häuserblocks fielen dabei den deutschen Stukas zum Opfer.

Ende August 1944 gelang es den Deutschen, die Aufständischen in sechs größere und kleinere Gruppierungen zu spalten, die die Ver-

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