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Kochen im eigenen Saft

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Wiens Galeriechefs klagen zwar ständig über schlechten Geschäftsgang. Aber zugleich vermehren sich Wiens Galerien beinahe schon wöchentlich. So hat sich „Ulysses“ etwa um die „Galerie 2“ vermehrt, die geschlossene „Grünangergasse 12“, die Gruppe, wo Rainer, Pichler, Gironcoli u. a. Herr im Haus war, wechselte in ein Ballgassenlokal des Textilmannes Schapira über; und der aus dem Avantgardekreis ausgeschiedene Kurt Kalb wartet bereits in der Prinz-Eu-pen-Straße mit seiner Rot-Ausstellung auf. Und im Herbst will er mit einer weiteren Galerie einsteigen. Wer zählt also noch die Unternehmen, nennt die Namen, die längst in die -zig gehen? Aber hat sich deshalb auch schon viel an Wiens Kunstklima geändert? Ist Wiens breites Kulturkonsumentenpublikum jetzt besser informiert und mehr interessiert, sich mit Avantgarde konfrontiert zu sehen? Und haben all diese Galerien etwa den Weg gefunden, um aus der Enge der Wiener Betriebsamkeit, über den Phantasieboden mit ein bißchen Avantgardehumus und ganz wenigen Glanzltchtem von internationalem Format hinauszukommen? Wohl kaum! Wiens Kunst kocht im eigenen Saft. Die großen internationalen Avantgardeausstellungen ziehen weiterhin an uns vorbei. Und von all den Wiener Galeriechefs rühren nur sehr wenige einen Finger, ihre Trümpfe und Asse über die Wiener Lokalberühmtheit hinaus zu den großen Ausstellungen des Auslands zu katapultieren.

Zu den wenigen jüngeren, die sich im Ausland ihren Weg selbst gebahnt haben, zählt jedenfalls Walter Pichler (raun in der Ball-gasse 6 mit hervorragenden Blättern vertreten). Pichlers private Mythologie, verpackt in subtiles graphisches Arrangement, besticht nun seit Jahren. Er wird übrigens als einziger Österreicher unter 82 Internationalen an der großen Biennale-Schau „Internationale Aktualität“ heuer in Venedig teilnehmen.

Ausflüge in die internationale Szene versuchen diesmal auch die Galerien nächst Sankt Stephan (mit der „analytischen Malerei“ des Düsseldorfers Ulrich Erben) und die Galerie Gras (mit der Amerikanerin Nan Arghyros-Freeman, von der bei uns kaxim bekannten Bostoner Gruppe). Beide sind leider bloß „Insider“: Erben mit seinen Versuchen, in einfarbigen Flächen zu den Wurzeln der Malerei zurückzukehren; die US-Künstlerin mit der Umsetzung „äußerlicher“ Selbstbildnisse zu „inneren“, und zwar in Form von Abstraktionen ...

Sehenswert ist hingegen eine Gedenkschau für Heinrich Tes-senow, den großen Lehrer der Wiener „Angewandten“ (1913 bis 1919), dessen 100. Geburtstag heuer gefeiert wird. Tessenow, von sozialen englischen Architek-teniideen zu seinem berühmten Dresdener Gartenstadt-Werk in Hellerau inspiriert, hat vor allem im Kampf gegen die Industrialisierung des Bauens Vorbildliches geleistet. Als einer der ersten Architekten beschäftigte er sich mit Modellen für Kleinwohnungen, Arbeiterwohnungen usw. Eine wichtige Ausstellung in der Hochschule für angewandte Kunst

Historienspektakel aus den Tagen Königin Elisabeths I. von England, gesehen durch die Brille des „La mama“-Autors Paul Foster: Das ist das Thema der letzten Produktion Hans Gratzers und seiner „Werkstatt am Kärntnertor“ in der Walfischgasse. Gratzer inszeniert „Elisabeth Eins“ als (Verkleldungs-) Spiel einer englischen Wandertruppe, in der jeder die verschiedensten Rollen übernehmen muß: etwa die der Königinnen von Frankreich und Schottland, der Lords, Papst Gregors XIII. usw. Die Titelrolle verkörpert Krista Stadler (Photo Pierre: links). Voraussichtlich ab Herbst wird die „Werkstatt“ bereits im neuen Domizil arbeiten. Das „Heimaf-Kino im neunten Bezirk wird vom Kulturamt der Stadt Wien bereits auf Umbaumöglichkeiten geprüft.

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