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Konfrontation mit dem Gestern

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Die wichtigsten Bühnenwerke der früheren Meisterdramatiker werden berechtigt immer wieder gespielt. Bei den qualitätsvollen Erfolgsstücken vom Anfang unseres Jahrhunderts, die meist nicht die gleiche geistige Weite wie jene Spitzenwerke haben, steht die Berechtigung, sie wieder aufzuführen, zur Diskussion. Drei Premieren von Stücken österreichischer Autoren regten in den letzten Tagen zu Betrachtungen über das Thema an.

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Die wichtigsten Bühnenwerke der früheren Meisterdramatiker werden berechtigt immer wieder gespielt. Bei den qualitätsvollen Erfolgsstücken vom Anfang unseres Jahrhunderts, die meist nicht die gleiche geistige Weite wie jene Spitzenwerke haben, steht die Berechtigung, sie wieder aufzuführen, zur Diskussion. Drei Premieren von Stücken österreichischer Autoren regten in den letzten Tagen zu Betrachtungen über das Thema an.

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Im Volkstheater sieht man das Trauerspiel „Frau Suitner“ von Karl Schönherr. Man weiß, das Kramer-Ehepaar Suitner findet ein Leben ohne Kinder sinnlos, da die Frau aber unfähig ist, Kinder zu bekommen, schafft sie ein junges Weibsbild ins Haus und begeht Selbstmord. Das ist ein meisterlich linear gebautes Stück, das unentwegt, geradezu hämmernd indirekte Hinweise auf den versagten Nachwuchs vorführt. So großartig das beobachtet ist — es wirkt die überaus straffe Dramatik Schönherrs gegenüber den heutigen, vielfach undramatischen, vorwiegend Zustandsschilderungen bietenden Stücken wie etwas bereits Abgerücktes.

Vorzügliche Aufführung unter der Regie von Gustav Manker, dramatisch durchaus im Sinn Schönherrs Hilde Sochor. Joseph Hendrichs gibt ihrem Mann gutmütige Primitivität.

Ist es richtig, mit der Vernunft alles Gefühl abzuwürgen, um Herr seiner selbst zu bleiben, Herr über die Leidenschaften? Darum geht es in der Komödie „Der Meister“ von Hermann Bahr, ebenfalls vom Volkstheater in den Wiener Außenbezirken vorgeführt. Mit spöttischhumorvoller Überlegenheit sieht der überaus erfolgreiche, als „Meister“ angesprochene Chirurg Caius Duhr, ehemaliger Kurpfuscher, über den Seitensprung seiner Frau hinweg, gesteht ihn ihr, der „Vernunft“ gehorchend, zu, um so mehr, als es bei ihm immer wieder „Eskapaden“ gab. Ergebnis: Daß ihn ihr Seitensprung nicht verletzt, verletzt sie, und eben detffrBllv-verläBtnaie ihnä<< Auch).“Jrieil eine Aufführung in trefflicher Besetzung und Ausgewogenheit. Regie: Jürgen Kaizik. Dem „Meister“ gibt Rudolf Strobl die humorige Überlegenheit über alles Gefühl, die dann doch einen Knacks erhält. Traute Wassler legt die Rolle seiner Frau besonders ernst an. Vorzüglich zeichnen Barbara Klein die verdüsterte Sekretärin, Emst Cohen den fast demütig bescheidenen Assistenzarzt, zwei packende Gestalten. Robert Musil bezeichnete diese Komödie mit Einschränkungen als „eins der wenigen geistig bedeutenden Stücke, die wir aus der Neuzeit haben“.

Auch Anton Wildgans' „In Ewigkeit Amen“ ist ein stets wirksames, ergreifendes Stück. Aber die Tragö die „Dies irae“, die derzeit im Theater am Belvedere verdienstvoll zur Diskussion gestellt ist? Da wird ein junger Mensch zwischen den infernalisch sich hassenden Eltern, von denen ihn jeder Teil auf seine Seite ziehen möchte, zerrieben. Ehepaare, die sich hassen, gibt es immer wieder, das hat Strindberg tiefgreifender als hier dargestellt. Und der Junge, der sich, zum unfähigen „Nichts“ geworden, das Leben nimmt? Voller Gegensatz zu den Empörern vor allem wider den Vater in anderen Stücken jener Zeit, voller Gegensatz zur explosiven heutigen Jugend. Diese Gestalt ergreift kaum mehr. Gehöhte Sprache, Chöre machen das Stück zu einem verbalen Oratorium, zur Mitleidsdichtung, die einer anderen Zeit angehört. Regisseur Irimbert Ganser strich entsprechend, bietet eine beachtliche Wiedergabe. Bernhard Schärfl als Sohn, Peter L. Trojan als sein Freund Ra-banser beeindrucken. In weiteren Rollen Hubert Tscheppe, Erika Sant-ner.

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