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Konzertantes

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Zehn Jahre lang war Svjatoslav Richter, Rußlands gefeierter Starpianist der Weltelite, in Wiens Konzertsälen nicht zu hören. Nun stellte er sich dem Publikum im Brahms-Saal zweimal mit Bachs „Wohltemperiertem Klavier“, das er außerdem dieser Tage in Wien für Platten aufgenommen hat. Richter, der Endfünfziger, ist nach wie vor der Eigenwillige, Scheue, dem Kunstbetrieb etwas Entrückte. Man merkt das an seinem Auftreten vom ersten Moment an. Ruhe findet er erst, wenn er gleichsam vergessen hat, daß er von Zuhörern umgeben ist, und sich ganz in seine Wiedergabe versenken kann. Er spielt — wie die meisten Künstler seiner Generation — Bach sehr persönlich, pianistisch, mit fein differenziertem Anschlag und einem Hauch romantischer Einfärbung. Rhythmisierte Figurationen, die Achtel und Sechzehntel, wirken weicher gezeichnet, klingen feiner schattiert, als Künstler der nächsten Generation, etwa Gulda, sie interpretieren würden. Die Pedalisierung drückt mehr Gefühl, mehr persönliches Empfinden des Interpreten aus, als die Bach-Forschung heute den Interpreten dieser Präludien und Fugen zugestehen will. Man denke nur einmal an Richters Wiedergabe des nervösen d-Moll-Präludiums (BMV 875), das in einem etwas exaltierten Crescendo vorbeijagt, oder an die zutiefst romantische Pedalisierung des e-Moll-Präludiums (BMV 879), an das Aus-singenlassen der Kantilenenbögen im f-Moll-Präludium (881), dessen Pas-sionsmusikstimmung Richter fast zu einer Elegie inspiriert... Wie immer man aber zu Richters Darstellungsweise bei Bach stehen mag, begeistert doch die Einheit von Künstlerpersönlichkeit, Interpretationsstil und Bachschem Werkkosmos. Denn daß Richter mit seinem „Wohltemperierten Klavier“ bei allen Eigenheiten der Auffassung eine bis ins Detail harmonische, stilistisch geschlossene Gesamtleistung bietet, ist nie anzuzweifeln.R. W. *

Zu den Pianistengrößen der letzten zwei Jahrzehnte — Arrau, Horowitz, Rubinstein und Benedetto-Michelan-geli — zählt auch Nikita Magaloff. Hat er mit erstklassigen Chopin-Interpreten wie Cherkassky, Brai-lowsky und Harasiewicz die fulminante Technik gemein, so kommt bei ihm noch die Eleganz und der Esprit hinzu, mit der er die Werke dieses Komponisten zu servieren weiß: Seine Interpretation des e-Moll-konzertes konturiert in vollster Klarheit das musikalische Geschehen und verbindet es mit dem flgu-rativ-virtuosen Beiwerk des Pianistischen zu einem bruchlosen Ganzen. Jan Krenz mit den Symphonikern war ein den Künstler bestens verstehender Begleiter und ließ zu Beginn des Konzertes das sonst von Chopin etwas stiefmütterlich behandelte Orchester solistisch gut hervortreten. Man verdankte dem Dirigenten auch eine schöne Wiedergabe der Fünften Tschaikowskys; aber muß man von diesem Komponisten immer nur die vierte, fünfte oder sechste Symphonie hören, als ob er nicht auch eine prachtvolle zweite geschrieben hätte?P. L.

Alfred Vhls schon öfters aufgeführte heitere Kantate „Wer einsam ist, der hat es gut“ zeigte auch bei der letzten Wiedergabe im Großen Musikvereinssaal, daß melodische Erfindungskraft, gekonnte Satzkunst und die effektvolle, geradezu auf den Text ausgerichtete illustrative Instrumentierung des Werkes seinen Erfolg verbürgen. In den mit Ouvertüren beginnenden zwei Abteilungen wurden zu besonderen Kabinettstücken unter anderem Büschs „Philosoph“ und Morgensterns „Fisches Nachtgesang“, in denen Heinz Hole-cek sein großes komisches, ihn in Kabarettnähe bringendes Talent bestens entfalten konnte. Die Ausführenden, der Singverein, das ORF-Orchester unter der umsichtigen Leitung Hans Wallbergs und die Solisten Miljakovic, Nitsche und Iiolecek, waren die Garanten einer beifälligst aufgenommenen Aufführung, welcher der lebhaft akkla-mierte Komponist beiwohnt.

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