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Kritische Urlauber

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„Paninternational“ steht auf einem großen Flugzeug auf dem Münchner Flughafen Riem. Dieses Flugzeug wird sich für eines der großen Reiseunternehmen und Chartergesellschaften Deutschlands nicht mehr in die Lüfte erheben, denn die „Paninternational“ und sämtliche Schwestergesellschaften, „Paneuropa“ und „Panfiotel1'' haben auf ihrer letzten Kommanditistenversammlung feststellen müssen, daß nur noch die Firmenpleite und Konkurs bleiben.

So gesehen, ist es für Österreicher interessant, ob die großen deutschen Tourismusunternehmungen — Touropa hat ja bereits mit Touropa-Austria eine Österreichgesellschaft vor längerer Zeit ins Leben gerufen — in verstärktem Maße auf den österreichischen Markt ausweichen, weil in Deutschland nichts mehr zu holen ist. Dem steht entgegen, daß man auch für 1972 in Deutschland mit aufsteigender Tendenz rechnet. Trotzdem dürften sich ausländische Reiseveranstalter in verstärktem Ausmaß in Österreich breitmachen:

• So wird die Schweizer Nobelreisefirma Kuoni 1972 ihre im heurigen Jahr begonnene Arbeit in Österreich verstärkt fortsetzen;

• wird Neckermann, das zu einem der erfolgreichsten deutschen Reiseunternehmen aufgestiegen ist, seine Arme nach Österreich ausstrecken und hier eine Neckermann-Reisegesellschaft ins Leben rufen;

• und wird schließlich, wenn man den Gerüchten trauen darf, auch die Kaufhof-Reiseabteilung, die dem deutschen Gewerkschaftsbund nahesteht, mit Hilfe des österreichischen Gewerkschaftsbundes, der BAWAG und der Ruefa im nächsten Jahr Österreichambitionen zeigen.

Österreichs Chancen

Im österreichischen Fremdenverkehr wird immer mehr der Winter zu einem großen Geschäft. Obwohl deutsche Reiseveranstalter und auch österreichische Touristikbüros in verstärktem Maße eine Luftbrücke nach dem sonnigen Süden, sei es Teneriffa, Afrika oder Fernost anbieten, bleibt der gute alte Wintersporturlaub erhalten und in zunehmendem Maße wird auch für den Winterurlaub ein neuer Gast gewonnen, der sich weniger über steile Pisten stürzt oder sich an Sessel-und Schlepplifts anstellt.

• Bereits im Vorjahr sind rund 25 Prozent aller Winterurlauber in Österreich nicht Ski gefahren, sondern haben das Wandern vorgezogen.

• Die Zahl der Langläufer, vor allem auch unter älteren managementgeplagten Menschen, nimmt immer mehr zu.

• Die Zahl der Hallenbäder und Kuranstalten in Österreich sorgt dafür, daß auch abseits der Pisten Erholung möglich wird.

Für Österreich mag interessant sein, daß bereits heute die Zahl der Pauschalreisen in Deutschland stark im Zunehmen begriffen ist, weil man dadurch feststellen kann, daß zweifellos der Trend zum Pauschalpreis auch vom österreichischen Fremdenverkehr berücksichtigt werden muß.

Den spektakulärsten Aufwind in Österreich wie in Deutschland hat zweifellos in den letzten Jahren aber die Flugtouristik genommen, und so ist es auch erklärlich, daß erstmals deutsche Reiseagenturen ihre Jumbos als Charterflugzeuge einsetzen. Angesichts solcher Tendenzen spricht man bei den Reiseveranstaltungen mit freudig zitternder Stimme von einer „Explosion des Fernwehs“ („Süddeutsche Zeitung“), weiß aber, daß man in Zukunft nicht immer mit den im heurigen Jahr errechneten Zuwachsraten von 40 Prozent in Deutschland und rund 25 Prozent in Österreich wird rechnen können.

Was für Österreich und die Qualität seines Fremdenverkehrs für heute und die Zukunft interessant ist, besteht in der Vermehrung kritischer Urlauber. Einige Prozesse in der Bundesrepublik und die Gründung von Tcnrristenschutzgemein-schaften in München, Frankfurt und Hamburg, ein neues Urlaubsservice der Stiftung „Warentest“ sowie ein Schwarzbuch der Stuttgarter Verbraucherzentrale zeigen, daß man in Hinkunft nicht mehr mit illusionistischen Prospekten das Marchfeld als Rand der Alpen und Annaberg als zweites St. Moritz anbieten können wird.

So erklärte Salzburgs Fremdenverkehrsdirektor, Hofrat Manzano, vor kurzem, daß wir „mehr Qualität im österreichischen Fremdenverkehr brauchen, wenn wir nicht unterhegen wollen“.

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